Gladbeck. . Nach Äußerungen des AfD-Sprechers fordert der engagierte Gladbecker: Wenn Nationalsozialismus verharmlost wird, muss man Position beziehen.

„Es hätte doch einen Sturm der Entrüstung geben müssen.“ Georg Liebich (59) ist irritiert. Der seit vielen Jahren zum Thema Gedenkkultur engagierte Gladbecker kann nicht nachvollziehen, dass sich nach dem WAZ-Bericht über den Sprecher der AfD, Marco Gräber, nicht mehr Menschen kritisch zu Wort gemeldet haben. Denn dass Gräber sich nicht von hetzerischen und rassistischen Äußerungen des AfD-Bundesvorstands distanziere, könne doch nicht mit Stillschweigen hingenommen werden, sagt Liebich im WAZ-Gespräch.

Bundesverdienstkreuz für sein Engagement

Georg Liebich wurde im Jahr 2012 für sein langjähriges Engagement mit dem Bundesverdienstorden geehrt. Der Diplom-Sozialarbeiter organisiert zweimal im Jahr Gedenkstättenfahrten zu Orten des Nationalsozialismus. Seit 1992 zunächst nach Berlin für Jugendliche, seit einigen Jahren regelmäßig ebenfalls nach Israel. An diesen Fahrten nehmen auch Erwachsene teil.

Auch in diesem Jahr sind die Angebote stark gefragt. Berlin ist bereits ausgebucht, für die Reise nach Israel gibt es noch einige freie Plätze.

Was ist für Sie besonders bedenklich?

Liebich: Mit den Äußerungen Gaulands, der die NS-Zeit als einen „Vogelschiss der Geschichte“ bezeichnet hat, wird doch versucht, das größte Verbrechen der deutschen Geschichte klein zu reden und es damit zu leugnen. Davon muss man sich distanzieren, das gehört doch zu unserer Verantwortung gegenüber unserer Geschichte und gegenüber den Zeitzeugen.

Warum ist das Reagieren darauf so wichtig?

Weil Stillschweigen als Zustimmung gesehen wird. Nicht zu reagieren gibt der jüngeren Generation ein schlechtes Vorbild. Wir müssen doch Position beziehen. Ich halte es auch für eine falsche Vorgehensweise der Politik, sich nicht zu äußern. Man soll, man muss reagieren aus persönlicher Verantwortung als Bürger. Das Geschehen des NS-Zeit wird verharmlost, wenn Provokationen dieser Art als legitimes Mittel gesehen werden, um politische Aufmerksamkeit zu erhalten.

Sie begegnen bei Ihren Fahrten nach Israel vielen Zeitzeugen, die den Holocaust überlebt haben. Wie nehmen sie die politische Entwicklung wahr?

Sie beobachten genau, was in Deutschland passiert und fragen, wie es sich mit der AfD verhält. Sie geben ihre Geschichten an uns weiter und erwarten, dass wir Verantwortung übernehmen, damit das, was im Nationalsozialismus geschah, sich nicht wiederholt.

Wie bringen Sie das den Jugendlichen, die mit Ihnen unterwegs sind, außerdem nahe?

Ich versuche, ihnen das in der Auseinandersetzung mit diesem Kapitel deutscher Geschichte zu vermitteln, die Zusammenhänge und Parallelen mit der heutigen Zeit aufzuzeigen. Ich will deutlich machen, wohin Ausgrenzung und Diskriminierung führen können. Deshalb ist es ja so wichtig, zeitnah zu reagieren, um den Anfängen zu wehren. Sonst wird man nachher überrascht von der Entwicklung

Wie reagieren die Jugendlichen?

Sie sind sehr interessiert, sehr motiviert, mehr zu erfahren Manches wissen sie nicht, einige haben beispielsweise noch nie von der Wannseekonferenz gehört (wo die Nazis die systematische Judenvernichtung beschlossen haben, Anm, der Red.). Aber gerade Wissen und Informationen sind ja wichtig, um sich einmischen zu können..