Gladbeck. . Die Fraktion stellt Antrag für eine Ratsresolution. Das Land soll Bürger entlasten und Kosten übernehmen. Aktuelles Beispiel: Taunusstraße.
3000 Euro. So viel muss die Rentnerin, die in einem der kleinen Zechenhäuser an der Taunusstraße wohnt, zahlen. Es ist ihr Beitrag als Hauseigentümerin für die Sanierung der Kanäle und Gehwege in ihrer Straße, die 2016 abgeschlossen wurden. Als der Bescheid von der Stadt ihr vor einigen Wochen per Einschreiben zugestellt wurde, war die Seniorin aus Rosenhügel geschockt.
„So viel Geld hat sie nicht, eine solche Summe ist existenzbedrohend. Sie weiß nicht, wie sie das stemmen soll“, berichtet Andreas Dunkel, SPD-Ortsvereinssitzender Rosenhügel. Die alte Dame war nicht die einzige Bewohnerin der Taunusstraße, die mit der Bitte um Hilfe ins Gladbecker SPD-Büro am Goetheplatz kam und dort beim Fraktionschef und Landtagsabgeordneten Michael Hübner auf viel Verständnis stieß. Hat er doch mitgearbeitet an einem Gesetzentwurf im Landtag, in dem die SPD-Fraktion eine Befreiung der Bürger von den Straßenausbaubeiträgen und eine Übernahme dieser Kosten durch das Land fordert.
Bei einer Ratenzahlung kommt ein Zinssatz von sechs Prozent hinzu
„Gerade an dem Beispiel der Rentnerin wird deutlich, dass die jetzige Regelung totaler Mist ist“, sagt Hübner im WAZ-Gespräch über den Passus im Kommunalabgabengesetz, der in NRW in allen Kommunen gilt. Denn auch wenn die Seniorin die Summe nicht auf einmal, sondern in Raten an die Stadt zahlen kann, wird es für sie teuer. Sie muss dann einen Zinssatz von sechs Prozent in Kauf nehmen. Einen möglicherweise billigeren Kredit von einer Bank würde sie höchstwahrscheinlich aufgrund ihres Alters nicht bekommen.
Haus + Grund unterstützt Volksinitiative
Unterstützung für ihren Gesetzentwurf erhält die SPD in Gladbeck und im Land auch von anderer Seite. Der Bund der Steuerzahler hat eine Volksinitiative zur Abschaffung der Straßenausbaubeiträge in NRW (§ 8 Abs. 1 Kommunalabgabengesetz) gestartet und in kurzer Zeit mit über 30.000 Unterschriften bereits die Hälfte der benötigten 66.000 gesammelt.
Der Gladbecker Verein Haus + Grund schließt sich dieser Ende Oktober gestarteten Initiative an. Im Vereinsbüro an der Friedrichstraße liegen Unterschriftenlisten aus, in die sich bereits zahlreiche Mitglieder eingetragen hätten, teilt Geschäftsführerin Andrea Diste mit.
Haus + Grund fordert ebenfalls, dass Straßenbaubeiträge, die bereits erhoben wurden, aber durch Beitragsbescheide noch nicht bestandskräftig geworden sind, weiterhin nicht zulässig sein sollen.
Ebenso sollte den Kommunen aufgrund der Einnahmeausfälle vom Land Nordrhein-Westfalen Zuweisungen zur Verfügung gestellt werden. Denkbar wäre auch, so Haus + Grund-Geschäftsführerin Diste in einer Mitteilung, die Ausfälle durch einen entsprechend höheren Anteil an der Steuerquote auszugleichen.
Trotz solcher Beispiele konnte die SPD-Fraktion im Landtag ihren Vorschlag für die erwünschte Änderung gestern nicht durchsetzen. Die schwarz-gelbe Landesregierung stimmt zwar zu, dass sich etwas ändern soll bei den Anliegerbeiträgen. Der Vorschlag von CDU und FDP lautet jedoch: Es soll den Kommunen überlassen bleiben, ob sie Beiträge von den Bürgern für den Straßenausbau nehmen. Und wenn nicht, diese dann selbst zahlen. Dafür fand sich eine Mehrheit, wenn auch eine äußerst knappe. Erst per Hammelsprung, eine selten angewandte Abstimmungsform, fiel die Entscheidung.
Arme Städte können den Bürgern die Beiträge nicht erlassen
„Das ist die Höchststrafe für Städte wie Gladbeck“, kommentiert Hübner. Wie bei den Kitabeiträgen könnten so reiche Kommunen wie beispielsweise Monheim oder Düsseldorf ihren Bürgern die Beiträge erlassen und selbst dafür aufkommen. Arme Städte wie Gladbeck, die mit Mühe ihren Haushalt sanieren, könnten auf die durchschnittlich 300.000 Euro, mit denen sich Gladbecker Bürger jährlich an Straßenbeiträgen beteiligen müssen, nicht verzichten.
Das letzte Wort über die künftige Regelung ist aber auch noch nicht gesprochen. Der Vorschlag der NRW-Landesregierung wird jetzt erst einmal geprüft. Und der Gesetzentwurf der SPD ist ebenfalls noch nicht vom Tisch, er kommt voraussichtlich im Februar/März in die Anhörung.
Landesweit geht es um knapp 130 Millionen - bei einem Haushalt von 80 Milliarden Euro
Deshalb bringen die Gladbecker SPD und die Grünen in die Ratssitzung am 6. Dezember einen Dringlichkeitsantrag für eine Resolution ein, in der der Rat die Befreiung der Bürger von den Straßenbaubeiträgen fordert und das Land diese Mindereinnahmen der Städte und Gemeinden kompensiert.
Dabei geht es um knapp 130 Millionen Euro. „Vergleichsweise wenig bei einem Haushalt von 80 Milliarden und sprudelnden Steuereinnahmen“, argumentiert Hübner. Er hofft, dass bei genügend Druck aus den Kommunen doch noch die Entlastung für die Bürger durchkommt.