Gladbeck. . Der neue Leiter der Erich-Kästner-Realschule, Ulrich Elsen, kam 1989 als Junglehrer nach Brauck. 1999 wurde er Konrektor, jetzt ist er Chef.

Wenn Ulrich Elsen (58) zur Arbeit kommt, dann meistens in „Uniform“. An diesem Tag trägt er ein hellblaues Hemd mit grünem Schullogo zur dunkelblauen Hose. Schlicht und funktional. Das tut der neue Schulleiter der Erich-Kästner-Realschule nicht erst, seit er in dem kleinen Büro mit dem nüchternen Charme der 70er Jahre als Nachfolger von Gerd Weggel auf dem Chefsessel sitzt. Elsen ist ein überzeugter „Erich-Kästianer“, ist 30 Jahre den Weggelschen Weg in eine andere Schulwelt mitgegangen, hat ihn 20 Jahre als Konrektor maßgeblich mitgestaltet.

Zuerst gab es nur einen Dreimonats-Vertrag

1989 kam der junge Lehrer für Mathematik und Physik nach Gladbeck. Eher aus der Not heraus, denn damals gab es in Niedersachsen keine Stellen für Lehrer. In Nordrhein-Westfalen eigentlich auch nicht, aber ein Dreimonatsvertrag an der Braucker Realschule war immerhin ein Anfang. „Ich wollte unbedingt als Lehrer arbeiten“, sagt Elsen, für den der Pädagogenberuf Berufung ist: „Kinder auf den Weg zu bringen, zu begleiten und zu stärken, ist das Schönste. Wir müssen sie aufs Leben vorbereiten.“

Dass der Übergangsjob im Ruhrgebiet zur Dauerstellung wurde, hatte mit dem damals ebenfalls gerade in Brauck gestarteten Schulleiter Weggel zu tun. Der ließ ihn nach dem Vierteljahr einfach nicht gehen, und Elsen blieb gern. „Ich habe mich an der Schule und hier in der städtischen Region sofort sehr wohl gefühlt“, sagt er. Dafür nahm er in Kauf, zehn Jahre täglich 220 Kilometer zu fahren. Denn die Familie, Ehefrau und zwei Kinder, war in Nordhorn geblieben. Erst 1999 zogen alle nach Recklinghausen um. Da war Ulrich Elsen schon Konrektor in Brauck.

Appell des Vorgängers hielt ihn an der Schule

Dass er nun, nach 29 Jahren, an der Gladbecker Realschule auch Schulleiter geworden ist, hat ebenfalls mit der Beharrlichkeit seines Vorgängers zu tun. Eigentlich hatte Elsen sich 2008 an einer anderen Realschule um eine solche Stelle beworben und den Vertrag fast schon unterschrieben. Doch als er Weggel davon erzählte, ließ der das nicht zu. „Du kannst uns doch nicht allein lassen, wir haben noch so viel vor“, appellierte er an seinen Stellvertreter. Und wieder blieb Ulrich Elsen in Brauck.

630 Schüler und 42 Lehrer und Lehrerinnen

630 Schüler besuchen die Ganztagsrealschule in Brauck. Mit 42 Lehrkräften gibt es eine fast hundertprozentige Besetzung – allerdings sind sechs Lehrerinnen im Mutterschutz, bzw. Elternzeit.

Die Realschule hat bereits viele Auszeichnungen für ihren innovativen Ansatz erhalten.

So war es für ihn schon fast eine Pflicht, als Schulleiter da weiter zu machen, wo Weggel, der in diesem Sommer in den Ruhestand ging, aufgehört hat. „Denn der Weg ist ja eigentlich nie zu Ende. “ Was es noch zu tun gibt: sich erneut um den Deutschen Schulpreis bewerben. Zweimal war die vielfach ausgezeichnete Erich-Kästner-Realschule nah dran am Sieg. Deshalb hat die Robert-Bosch-Stiftung die Gladbecker Schule zu einer erneuten Bewerbung ermuntert.

„Wenn man sich was traut, darf man auch scheitern“

Vielleicht wird daraus erst im nächsten Schuljahr etwas. Und vielleicht wird es wieder nichts mit dem ersten Preis. Aber wenn man sich was traut, „darf man auch scheitern“, sagt Elsen. Und einen Nutzen wird die Schule so oder so haben. Allein die Anregungen der Bildungsexperten, die im Bewerbungsverfahren das Schulleben unter die Lupe nehmen, seien die Herausforderung wert. Eine Folge der Expertenbesuche sei beispielsweise, dass die Kästner-Schüler morgens ab 6.45 Uhr in ihre Klassen dürfen, nicht mehr bis kurz vor acht Uhr auf dem Schulhof warten müssen. „Das klappt gut“, sagt Elsen, der nicht verhehlt, dass es vorher im Kollegium einige Bedenken gab. So wie ehrlicherweise nicht jede Veränderung von allen mit Begeisterung aufgenommen werde. „Aber es gibt eher die Bereitschaft, es auszuprobieren“, hat der Schulleiter festgestellt.

Die Erich-Kästner-Realschule im Schulzentrum Brauck.
Die Erich-Kästner-Realschule im Schulzentrum Brauck. © Mengedoht

Das macht Mut für weitere Veränderungen. Eine ist schon im Blick: Im Schulprofil soll neben den Schwerpunkten „MINT“, „Berufsorientierung“, „Individuelle Förderung“ als vierte Säule „Kunst/Kultur“ etabliert werden. Nicht etwa, weil es das nicht gäbe – Kunstfreund Gerd Weggel hatte ein besonderes Auge drauf – sondern „damit es ohne ihn nicht untergeht“, erklärt sein Nachfolger. Und nun ist er es, der sagt: „Wir haben noch so viel vor.“

Besuch aus Berlin in Brauck – Kollegen wollen die Feedback-Kultur kennenlernen

In dieser Woche hatte die Erich-Kästner-Realschule wieder mal Besuch: Sechs Lehrer und vier Schüler der Berliner Friedensburg-Oberschule hospitierten für zwei Tage, um sich über die Feedback-Kultur der Gladbecker Realschule zu informieren. Auch das ist eine Folge der Bewerbungen um den Deutschen Schulpreis. Beide Schulen waren 2015 für den Deutschen Schulpreis nominiert, seitdem gibt es regelmäßigen Austausch. Mit Hilfe der finanziellen Unterstützung der Robert-Bosch-Stiftung konnten die Berliner nun den Schulalltag in Gladbeck kennenlernen.

Lehrer und Schüler der Berliner Friedensbrug-Oberschule hospitierten für zwei Tage an der Braucker Realschule
Lehrer und Schüler der Berliner Friedensbrug-Oberschule hospitierten für zwei Tage an der Braucker Realschule © Heinrich Jung

Besonders spannend: Die Mathelehrer-Anwahl der Schüler

Ganz fremd war ihnen der nicht, es gibt schon viele Gemeinsamkeiten. „Die größte ist, wie wir Schule verstehen“, sagte der Berliner Schulleiter Sven Zimmerschied und nannte drei Merkmale: Dass „Vielfalt ein Gewinn ist“, „Schule für alle, also auch inklusiv“ sein sollte, und dass „Leistung sich lohnt“. Lehrerin Laura Hordoan ergänzt: „Aber es darf kein festes Raster geben. Man muss schauen, was die Kinder brauchen und was zu ihnen passt.“ Eben das ist ganz im Sinne des Konzepts an der Erich-Kästner-Realschule.

Neu war für die Berliner die Mathelehrer-Anwahl, die sie in den zwei Tagen miterlebten. Zwei Jahre können Erich-Kästner Schüler nach jeder Klassenarbeit ihren Mathelehrer neu wählen. Schulleiter Elsen will das Konzept auch auf den Deutschunterricht ausweiten.