Gladbeck . Seit zwei Jahren wohnt Tim Hult mit seiner Familie in Schweden. Der Lehrer für Deutsch und Sport zeigt sich vom dortigen Schulsystem beeindruckt.

Das „Endspiel“ um die WM steht an. Um 20 Uhr am Samstag trifft die deutsche Elf auf Schweden. Bei einer Niederlage zerplatzt der Traum der Titelverteidigung bereits in der Vorrunde.

Umzingelt von schwedischen Fans, wird Tim Hult das Spiel erleben, denn seit zwei Jahren lebt der gebürtige Gladbecker mit seiner Familie in Helsingborg. „Der Abschied aus Deutschland war keine Flucht, sondern eine Abwägung“, sagt der Vater dreier Kinder, denn ganz fremd war ihm das skandinavische Land nicht: „Meine Frau ist Schwedin, und ihre Heimat war regelmäßig unser Urlaubsziel.“ Die Chance aber, dauerhaft an der schwedischen Küste zu leben, war für den 39-Jährigen zu verlockend.

In Schweden als Lehrer tätig

Um sich in seiner „zweiten Heimat“ verständigen zu können, besuchte er einen Intensivsprachkurs. „Bei Behördengängen konnte mir meine Frau helfen“, sagt Hult über erste sprachliche Barrieren.

Acht Jahre lang bekleidete Hult in Deutschland das Amt des Studienrates, unterrichtete an einer Schule Sport und Erdkunde. In Schweden wurde sein Examen anerkannt. Als Lehrer ist er seit April an der Sally Bauer Skolan in Helsingborg tätig und unterrichtet die Fächer Deutsch und Sport. „Die Schule legt viel Wert auf Sportförderung und geht auf individuelle Neigungen der Kinder ein“, sagt Hult.

Der Schulalltag in Schweden ist eine andere Welt

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Bei seinem Bewerbungsgespräch spielte auch seine deutsche Herkunft eine entscheidende Rolle: „Sie fragten, ob ich ordnungsliebend sei“, entsprechend dem gängigen deutschen Klischee. Doch dies sei gar nicht typisch für die schwedische Kultur: „In Deutschland sind Ordnungsmaßnahmen im Schulgesetz verankert, in Schweden gibt es das nicht.“

Obwohl die Schweden fast unsere Nachbarn sind, funktioniert dort vieles anders. Gerade der Schulalltag ist eine völlig andere Welt. „Seitdem ich in Schweden arbeite, habe ich nicht an der Tafel geschrieben“, sagt Hult. Geprägt von seinen schulischen Erfahrungen sagt er rückblickend: „In Deutschland würde ich nicht wollen, dass meine Kinder zur Schule gehen.“ In Schweden habe man als Schüler „mehr Möglichkeiten, alles ist individueller“, sagt Hult.

Ab der sechsten Klasse arbeiten Schüler mit Laptops

Den Unterricht beschreibt der Lehrer als „digitalisiert“. Ab der sechsten Klasse arbeiten die Schüler nur noch mit Laptops oder Tablets. Die Schulaufgaben werden den Jungen und Mädchen digital übermittelt: „Während die Kinder schreiben, kann ich als Lehrer bereits die Übungen mitlesen und kontrollieren“.

Auch die Größe der Schulklassen bieten für Pädagogen traumhafte Bedingungen: „In einer Klasse sind bis zu 15 Kinder“, sagt der Gladbecker. Im Lehrplan habe die Natur einen großen Stellenwert: „Die Kinder lernen, Feuer zu machen oder sich im Wald zu orientieren. Mit Kompass und Karte.“

Unterhaltungen in der Muttersprache fehlen

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So erfüllend der Schulalltag für einen Pädagogen auch klingen mag, dennoch vermisst der Familienvater das Ruhrgebiet. „Gladbeck ist und bleibt meine Heimat. Hier sind all meine Erinnerungen an die Kindheit“, sagt der ehemalige Schüler des Ratsgymnasiums.

Auch Unterhaltungen in seiner Muttersprache fehlen ihm, denn, egal wie gut er bereits schwedisch spricht, bei Gesprächen „fehlen einem manchmal Begriffe, um sich differenziert mitteilen zu können. Das ist frustrierend“, sagt der 39-Jährige.

Schweden im Ausnahmezustand am Mittsommertag

Das WM-Spiel gegen Deutschland findet für die Skandinavier an einem besonderen Tag statt: „Es ist ‘midsommardag’“, sagt Hult und ergänzt: „Der einzige Tag, an dem Ikea in Schweden geschlossen hat“.

Das Mittsommerfest, an dem die Sommersonnenwende gefeiert wird und die langen hellen Sommernächte wieder abnehmen, ist nach Weihnachten das zweitgrößte Fest des Jahres. Dieses wird mit der gesamten Familie und Freunden gefeiert, bei Picknick und traditionellen schwedischen Liedern. „Gemeinsam wird viel im Kreis getanzt und gesungen“, beschreibt Hult die Feierlichkeiten. Viele tragen Trachten oder auch Kränze aus Blumen in den Haaren.

Traut man jedoch der Prognose des deutschen Auswanderers, findet das Fest ein jähes Ende: „Deutschland wird mit 2:0 gewinnen.“ Bei diesem Ergebnis lebt der Traum der Titelverteidigung weiter. Dann wartet ein „Endspiel“ gegen Südkorea.