Gladbeck. Präventionsinitiative des Landes gegen Kinder- und Jugendkriminalität wird kreisweit eingeführt. Bürgermeister Roland unterschreibt Kooperation.
Raub und Diebstahl auf der Straße, körperliche Gewalt, Bedrohung oder Erpressung – das klingt wie das Strafregister eines Schwerstkriminellen. Umso erschreckender, dass dies Delikte strafunmündiger Täter aus Gladbeck im Alter unter 14 Jahren beschreibt, der jüngste gerade einmal acht Jahre alt.
Diese auch schweren Straftaten von Jugendlichen und Kindern haben auch in Gladbeck zugenommen. Um zu verhindern, dass diese jungen Täter weiter in kriminelle Karrieren abrutschen, beteiligt sich das Polizeipräsidium Recklinghausen mit allen zehn Kreisstädten an der Landesinitiative „Kurve kriegen“.
Bürgermeister Ulrich Roland unterzeichnete wie seine Amtskollegen aus den Kreiskommunen und Bottrop mit Polizeipräsidentin Friederke Zurhausen dazu am Donnerstagmorgen eine Kooperationsvereinbarung im Polizeipräsidium Recklinghausen. Laut aktuellster Jahresstatistik wurden in Gladbeck 197 Straftaten junger Täter von 8 bis 16 Jahren angezeigt (Kreis mit Bottrop insgesamt 1505). Darunter zehn Mehrfachstraftäter (94 behördenweit) mit fünf oder mehr Delikten und davon zwei Intensivtäter im Alter zwischen acht und 14 Jahren (behördenweit neun).
Aus eigener Kraft nur schwer zu schaffen
„Allein aus eigener Kraft können die straffällig gewordenen jungen Menschen den Weg aus der Kriminalität nur schwer schaffen“, so Ulrich Roland. Die Stadt Gladbeck bemühe sich durch aufsuchende Sozialarbeit in Familien schon seit Jahren um Prävention. Aus diesem Grund beteilige sie sich nun auch an der Landes-Initiative, „die mit professioneller Unterstützung durch pädagogische Fachkräfte junge Menschen individuell auf ihrem steinigen Weg ins neue Leben begleitet“.
Intensivtäter verursacht Schaden von 1,7 Mio. Euro
Die sozialen Folgekosten, die ein junger Intensivtäter bis zu seinem 25. Lebensjahr anrichtet (z.B. Langzeittherapien für die Opfer), belaufen sich von 1,2 bis zu 1,7 Millionen Euro.
Im Schnitt 13 000 Euro pro Jahr kostet die Intensivbetreuung eines Teilnehmers am Präventionskonzept Kurve kriegen.
Und das ist das Neue an diesem weiteren Mosaikstein zur Arbeit mit jungen Intensivstraftätern, von denen derzeit bereist 25 kreisweit im besonderen Fokus der Polizei sind. Denn „Kurve kriegen“ arbeitet im Kreis mit zwei erfahrenen Pädagogen der Arbeiterwohlfahrt vom Unterbezirk Münsterland-Recklinghausen zusammen, die über das Land finanziert werden. Diese pädagogischen Fachkräfte kooperieren mit den Jugendämtern der Städte und im Polizeipräsidium Recklinghausen direkt mit einem polizeilichen Ansprechpartner des Kommissariates für Kriminalprävention und Opferschutz.
30 Kandidaten hat die Polizei bereits ausgesucht
Letzterer hat über ein polizeiliches Screeningverfahren die ersten 30 Kandidaten für Kurve kriegen, überwiegend acht bis 15 Jahre alt, herausgefiltert. Grundsätzlich müssen mindestens eine Gewalttat oder drei Eigentumsdelikte vorliegen und weitere Risikofaktoren bestehen. Dies sind beispielsweise Gewalterfahrungen im familiären Umfeld, physische oder emotionale Vernachlässigung, Suchterfahrung, Schulverweigerung, hohes Aggressionspotenzial, Außenseiterposition, straffällige Sorgeberechtigte oder Familienangehörige.
Mindestens ein und bis zu zwei Jahre verbleibt ein junger Mehrfachtäter in der Betreuung. Ziel: kriminelle Karrieren zu verhindern und die Kurve in Richtung Schulabschluss und Ausbildung zu kriegen. Dass das bereits in 19 anderen Behörden eingeführte Konzept funktioniert, unterstreicht Jörg Unkrig, Leiter der Stabstelle „Prävention Jugendkriminalität“ im Innenministerium. „Die wissenschaftliche Auswertung belegt, dass 40 Prozent der Teilnehmer nicht mehr straffällig werden.“