Als Langzeitarbeitslose bekam Isabella Sypitzki vom Diakonischen Werk die Chance auf einen Job. Inzwischen ist die Gladbeckerin fest angestellt.

Jawoll! Isabella Sypitzki geht gerne arbeiten! Sie freut sich so sehr darauf, dass sie sogar eine halbe Stunde vor ihrem offiziellen Dienstbeginn im Laden steht. Bei der Gladbeckerin handelt es sich nicht – wie man es vielleicht bei so viel Energie vermuten könnte – um eine ungeduldige Berufsanfängerin. Ganz im Gegenteil. Die 55-Jährige ist eine gestandene Frau, Mutter von vier Kindern, die ihr „ganzes Leben lang gearbeitet hat“: Sie hat geputzt, war Verkäuferin. „Früher auf 650-Mark-Basis, dann für 450 Euro“, sagt Isabella Sypitzki – bis ein Bäcker, bei dem sie in Lohn und Brot stand, pleite ging.

Die Arbeits- und Qualifizierungsgesellschaft Arbeit und Bildung des Diakonischen Werkes Gladbeck-Bottrop-Dorsten hat eine von fünf Filialen an der Gladbecker Marktstraße.
Die Arbeits- und Qualifizierungsgesellschaft Arbeit und Bildung des Diakonischen Werkes Gladbeck-Bottrop-Dorsten hat eine von fünf Filialen an der Gladbecker Marktstraße. © Oliver Mengedoht

Danach war „Bella“, wie sie ihre Lieben und Kollegen nennen, eineinhalb Jahre arbeitslos. „Beim Arbeitsamt hat man mir gesagt, dass ich mit 48 zu alt bin, um einen neuen Job zu finden“, erzählt die 55-Jährige. Naja, wörtlich bekommen Arbeitslose das Etikett „zu alt“ nicht zu hören, weiß Marco Bensberg. Der Leiter des Bereiches „Arbeit und Bildung“ beim Diakonischen Werk Gladbeck-Bottrop-Dorsten sagt: „Da meinen Arbeitgeber dann ziemlich unverblümt, ob man denn überhaupt noch lange stehen könne.“ Für Isabella Sypitzki, beim Arbeitsamt als Langzeitarbeitslose geführt, eine schlimme Zeit. „Ich habe überall hin Bewerbungen geschickt“, sagt die 55-Jährige. Entweder kamen Absagen oder überhaupt keine Reaktionen. Das deprimierende Gefühl dieser Tage hat Sypitzki nicht vergessen: „Man denkt: Keiner will einen!“

HINTERGRUND

Das Diakonische Werk Gladbeck-Bottrop-Dorsten führt derzeit fünf Kaufnet-Häuser. Marco Bensberg: „Als Beschäftigte übernommen haben wir 28 Menschen.“

Im Jahre 2010 wurde das Haus in Gladbeck an der Marktstraße eröffnet. Hier können Kunden günstig Mobiliar, Geschirr, Kleidung, Spielzeug und vieles mehr kaufen. Hartz-IV-Bezieher erhalten einen Preisnachlass von 20 Prozent.

Aber es gab Menschen, die sie als Arbeitskraft wollten, ihr Vertrauen in die Gladbeckerin setzten: eben die Beschäftigungs- und Qualifizierungsexperten beim Diakonischen Werk Gladbeck-Bottrop-Dorsten. Bella bekam eine Arbeitsgelegenheit (AGH) im Sozialkaufhaus Kauf.net angeboten. Für die Gladbeckerin bedeutete dieser Job: ein Euro Stundenlohn und vielleicht irgendwann die Chance, auf dem ersten Arbeitsmarkt wieder Fuß zu fassen. Die 55-Jährige muss wieder lächeln, wenn sie an ihren ersten Besuch im Geschäft an der Marktstraße denkt: „Ich habe mir das angeguckt und wusste: Hier bleibe ich.“ Die Kollegen hätten sie sofort nett aufgenommen.

Wen wundert’s bei der offenen, herzlichen Art der Gladbeckerin? War das eine Einstellungsvoraussetzung? Bensberg antwortet: „Festgelegte Voraussetzungen für die Arbeit im Kaufnet-Laden haben wir eigentlich nicht. Die Erscheinung muss gepflegt sein, das Benehmen muss stimmen. Ansonsten hat hier jeder eine Chance – sei es ein früherer Metzger oder eine Verkäuferin.“ Naja, schüchtern oder kontaktarm sollten Beschäftigte mit Kundenkontakt möglichst nicht sein. Die 55-Jährige legt ihrem Gegenüber eine Hand auf den Unterarm, beugt sich vor und sagt: „Ich war vor meiner Arbeit hier ganz ruhig.“ Bensberg nennt es gar „zurückhaltend“. Doch im Kaufnet sei „Bella“ aufgeblüht.

Geschafft! Eine Vollzeitstelle!

Fünf Monate bewährte sie sich als AGH-Kraft. Später stand fest: „Sie muss bleiben!“ – Sie bekam eine Vollzeitstelle. Bensberg lobt: „Frau Sypitzki ist an diesem Standort Verkäuferin Nummer 1!“ Organisationstalent und „Mutterqualitäten“ sind Pfunde, mit denen sie wuchern kann: Stammkunden fragen nach ihr, Kollegen rufen sie um Hilfe. Sehr familiär geht’s im Sozialkaufhaus zu. „Das ist das Schönste hier“, findet Bensberg.

Umgang mit Kunden und Kollegen

Seine Top-Mitarbeiterin könnte gar nicht sagen, was ihr am besten gefällt. Das ganze Paket sei es: der Umgang mit Kunden und Kollegen, das Austüfteln der Preise, das Auspacken der Waren- und Spendeneingänge, das Präsentieren der Gegenstände von A wie Armsessel bis Z wie Zeitungshalter. Sypitzki: „Wer hat schon einen Aschenbecher auf seinem Nachtkonsölchen stehen?“ Wohl niemand, also gibt’s das auch nicht bei Kaufnet. „Ich will noch bis zur Rente hier bleiben“, sagt Isabella Sypitzki hoffnungsvoll. Marco Bensberg hätte nichts dagegen . . .