Gladbeck. . Janine Dall hatte zuhause die Schwerkranke versorgt. Ob der Belastung sagt sie: „Aus heutiger Sicht würde ich meine Mama ins Hospiz geben.“

Janine Dalls Leben lief nach einer Scheidung gerade wieder in geregelten Bahnen. Da bekam sie einen Anruf aus der Heimat: Ihre Mutter fragte, ob sie sich eine Zeit lang um ihren Vater kümmern könne. Sie selbst müsse schließlich ins Krankenhaus.

Die vermuteten Probleme mit der Bandscheibe sollten behandelt werden. Im Krankenhaus stellte sich dann aber schnell heraus: Es ist Krebs. Gebärmutterhalskrebs im Endstadium. Die ständigen Rückenschmerzen kamen von den bereits entstandenen Metastasen.

Rückkehr aus Schleswig-Holstein nach Gladbeck

Janine Dall gab ihren Job in der Altenpflege auf, kehrte aus Schleswig-Holstein wieder zurück nach Gladbeck. Bis zu deren Tod im Januar 2010 pflegte sie ihre kranke Mutter. Sie selbst zog wieder in ihr altes Kinderzimmer ein, wollte der Schwerkranken ermöglichen, zuhause zu sterben.

Doch: „Ich habe mich selber dabei total vergessen“, sagt die 39-Jährige heute. Statt auch auf sich zu achten, habe sie versucht, ihrer Mutter jeden Wunsch zu erfüllen. Gegessen habe sie in den Monaten der Pflege kaum. „Ich habe 14 Kilo abgenommen.“ Während sie für ihre Mutter frisch gekocht habe, habe sie hauptsächlich von Kaffee und Zigaretten gelebt.

Oftmals nur zwei Stunden geschlafen

Besonders die Nächte seien anstrengend gewesen. Oftmals habe sie nur zwei Stunden geschlafen. Ständig habe sie ihre Mutter umlagern oder das Bett neu beziehen müssen. Ein Babyfon hatte Dall stets neben sich liegen.

Ihr Schlaf war in dieser Zeit nur leicht: „Ich habe immer gedacht, dass ich etwas überhört habe oder habe nachgeschaut, ob meine Mama noch atmet“, erzählt sie. Der Pflegedienst sei zwar drei Mal am Tag gekommen, aber: „Gerade für die Nacht hätte ich mir mehr Unterstützung gewünscht“, sagt sie.

Mit dem Tod sei eine Last von ihr gefallen

Mit dem Tod ihrer Mutter sei eine Last von ihr abgefallen. „Ich konnte auch nicht weinen“, sagt sie. Heute weine sie viel. „Damals hatte ich nicht die Kraft dazu.“ Doch inzwischen hat sie auch eine andere Sicht auf die Dinge: „Wenn ich noch einmal die Wahl hätte, würde ich meine Mutter ins Hospiz geben“, sagt sie.

Sie glaubt, dass sich dort ganz anders um sie gekümmert hätte werden können. Hinzu komme: Janine Dall hätte mehr Zeit für sich, aber auch mehr Kraft für ihre Mutter gehabt. Die Pflege zuhause würde sie heute nur noch einmal auf sich nehmen, wenn es andere Menschen gebe, mit denen sie sich in der Betreuung abwechseln könnte.

Erst zufrieden, wenn alle anderen zufrieden waren

„Wo war ich in der Zeit?“, fragt sich die Mutter eines kleinen Sohnes inzwischen häufig. Erst, wenn alle anderen zufrieden gewesen seien, wäre auch sie beruhigt gewesen.

Heute sei es ihr Mann, der zu ihr sage: „Setz’ dich jetzt mal hin und ruhe dich aus.“ Kurz nach dem Tod ihrer Mutter lernte sie ihren Mann kennen. Sohn Leon kam ein Jahr später zur Welt. „Der eine kommt, der andere geht“, sagt die junge Frau.

Janine Dall besucht ihre Mutter regelmäßig auf dem Friedhof

Sie bedauert es, dass ihre Mutter nie den Enkel kennenlernen konnte, den sie sich immer so sehr gewünscht hatte. Der Sechsjährige kommt oft mit, wenn Janine Dall auf den Friedhof geht. Auf Omas Grab gießt er dann die Blumen oder harkt die Erde.

Zum Grab ihrer Mutter geht die Gladbeckerin regelmäßig. Auch heute wird sie wieder Blumen zum Friedhof bringen. Denn heute hätte ihre Mutter Geburtstag – sie würde 68 Jahre werden. „Meine Mutter hat Blumen geliebt. Viel lieber würde ich ihr die natürlich persönlich geben“, sagt die 39-Jährige.

Sohn Leon wird heute ausnahmsweise mal zuhause bleiben. „Das ist dann“, sagte Janine Dall, „meine Zeit mit meiner Mama.“

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Pflege ist oftmals Familiensache, doch die Versorgung der eigenen Angehörigen kann auch zur Belastung werden.

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