Gladbeck. . Kostenloses Beratungsangebot kann anonym in Anspruch genommen werden. Eine Risikoeinschätzung wird erstellt und ein Schutzplan entwickelt.

  • In Schulen, Kindergärten, Arztpraxen, Sportvereinen oder Jugendgruppen können Mitarbeiter zu Geheimnisträgern werden
  • Die Stadt Gladbeck bietet diesen Menschen eine professionelle, unabhängige Beratung an
  • Im Vordergrund steht das Interesse des Kindes, die Profis gewährleisten die Anonymität

Da ist das kleine Mädchen im Kindergarten, das plötzlich auffällt, weil es sich vor anderen Kindern auszieht und präsentiert. Oder der Grundschüler mit blauen Flecken und schmerzendem Arm, der dem Fußballtrainer gesteht: „Der Papa hat mir wieder weh getan.“

In Schulen, Kindergärten, Arztpraxen, Sportvereinen oder Jugendgruppen können die dort beruflich oder ehrenamtlich tätigen Personen zu Geheimnisträgern werden, wenn ihnen von Kindern persönliche Dinge anvertraut oder bekannt werden. Geheimnisse, die sie aufgrund ihrer Verschwiegenheitspflicht nicht ohne weiteres unbefugt an Dritte weitergeben dürfen. Geheimnisse, die aber zum Gewissenskonflikt führen können, wenn der Verdacht besteht, dass das Kindeswohl durch Misshandlung, sexuelle Übergriffe oder Vernachlässigung gefährdet sein könnte.

„Leider ist offenbar vielen Geheimnisträgern nicht bekannt, dass die Stadt Gladbeck ein unabhängiges Beratungsangebot geschaffen hat, das kostenlos in Anspruch genommen werden kann“, sagt Markus Hansen vom Junikum (Gesellschaft für Jugendhilfe und Familien).

Niederschwelliges Angebot zweimal im Monat

Der Diplom-Sozialpädagoge ist Teil des Teams, das jeden ersten und dritten Donnerstag im Monat von 14 bis 16 Uhr (außer Schulferien) in den Räumen des Kinderschutzbundes am Kirchplatz 8 kostenlos und bei Wunsch anonym Geheimnisträger in Kinderschutzfragen nach telefonischer Voranmeldung (02043/27 65 66) berät. Auch zur Entlastung der Geheimnisträger selbst, die Gefahr laufen könnten, juristisch belangt zu werden, weil sie einem ersichtlichen Missstand nicht nachgegangen sind.

Obwohl das Beratungsangebot bereits 2013 an den Start ging, werden bislang kaum eine Hand voll Beratungsgespräche pro Jahr geführt. 2016 waren es nur drei, in diesem Jahr bislang lediglich zwei. „Der Bedarf müsste aus unserer Sicht deutlich höher sein, weil die Anzahl der bundesweit erfassten Gefährdungsfälle allein im Vorjahr um zehn Prozent angestiegen ist“, sagt Hansen.

Das Angebot – vorgehalten von qualifizierten und erfahrenen Kindesschutzkräften von Awo, Caritas, Diakonie, gemeinnütziger Jugendhilfe und Kinder-, Jugend- und Familienhilfe des Junikum – ist eine Pflichtaufgabe der Stadt, weil die Geheimnisträger einen konsequenten Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung mit entsprechendem gesetzlich festgelegten Anspruch auf Beratung haben.

Fachkräfte helfen, das Risiko einzuschätzen

„Und das kann hier beim Kinderschutzbund niederschwellig, noch ohne offizielle Bekanntmachung bei den Behörden, erfolgen. Um rechtzeitig zu reagieren und Hilfsmaßnahmen zu überlegen, bevor das Kind sprichwörtlich tief in den Brunnen gefallen ist“, sagt Berater Bernd Nelskamp vom Caritasverband.

Die Fachkräfte nehmen auf Grundlage der Gesprächsinhalte eine strukturierte und qualifizierte Risikoeinschätzung vor. Offene Fragen werden geklärt und Unsicherheiten beseitigt, um dann mit den Geheimnisträgern das weitere Vorgehen zu besprechenoder gegebenenfalls einen Schutzplan für das gefährdete Kind zu entwickeln.

Zum Gespräch wird ein Beratungsprotokoll mit Handlungsempfehlungen angelegt. Der Gesprächsinhalt bleibt vertraulich, die Berater unterliegen der Schweigepflicht. „Das heißt, dass wir auch bei Feststellung einer offensichtlichen Kindeswohlgefährdung nicht tätig werden, die Verantwortung bleibt bei dem Ratsuchenden“, so Siegfried Schmitz von der gemeinnützigen Jugendhilfe.

Die bisherige Erfahrung sei, „dass alle Geheimnisträger am Ende des Gesprächs gesagt haben: Das hat mit viel gebracht. Gut, dass es diese Einrichtung in Gladbeck gibt“, berichtet Ruth Rosing-Große-Kreul vom Diakonischen Werk. Alle Kinderschützer sind sich sicher, dass weitere Geheimnisträger Entlastungsbedarf haben und hoffen und appellieren, in den Kollegenkreisen an Schulen, Kindergärten und allen weiteren betroffenen Einrichtungen ihr Angebot publik zu machen.