Gladbeck. . Wie war Gladbeck zur Zeit der Nationalsozialisten? Schüler von fünf Gladbecker Schulen setzen sich auf der Bühne mit der Geschichte auseinander.
- Schüler von fünf Gladbecker weiterführenden Schulen entwickeln zusammen eine Dokumentation
- Das Ergebnis wird als Stück über den Nationalsozialismus in Gladbeck zu sehen sein
- Premiere des Dramas ist am 26. Juni in der Aula des Ratsgymnasiums, Mittelstraße 50
Hinter der verschlossenen Tür sind krachende Schläge zu hören, dann fliegt die Tür auf, ein Mensch wird herausgestoßen und – am Boden liegend – mit Fußtritten traktiert. „Ihr kriegt mich nicht! Niemals!“ ruft der Gepeinigte – der SPD-Politiker Mathias Jakobs – verzweifelt aus.
Eine von zahlreichen, eher beklemmenden Szenen, die Schüler aus fünf weiterführenden Gladbecker Schulen am Samstag auf die Aula-Bühne des Ratsgymnasiums brachten. Ein langer Probentag unter der Leitung des Hagener Schauspielers und Schauspieltrainers Marco Spohr war dies für die rund 20 Protagonisten.
Konfrontation mit Opfernamen
„Gladbeck unterm Hakenkreuz. Nie wieder!“ heißt die Theaterdokumentation, die in Zusammenarbeit und auf Initiative des Stadtarchivs entstanden ist. Vorausgegangen waren ein intensives Quellenstudium und Erkundungen vor Ort – von Archivleiterin Katrin Bürgel entsprechend moderiert und von Maria Hoffrogge und David Filipowski, Lehrern am Ratsgymnasium, pädagogisch betreut.
Seit März wird geprobt, und die Jugendlichen von Klasse sieben bis zwölf sind mit Leidenschaft dabei. „Sie sind auf der Bühne hellwach“, freut sich Regisseur Marco Spohr, „sie waren von Beginn an bereit, Charaktere zu zeigen und sich auf Zustände einzulassen, die für sie herausfordernd und erfahrungsreich zugleich sind.“ Die Mitwirkenden kommen von Rats- und Riesener Gymnasium, der Gesamtschule, Erich Kästner- und Anne-Frank-Realschule und haben über den Jugendrat zu diesem Projekt gefunden.
Szenen sind streckenweise auch brutal
Mit dem Prozess dieser Inszenierung sei für sie vieles anders geworden, habe doch die Konfrontation mit Opfernamen und ihrer Geschichte, wie Bernhard Preminger und Wilhelm Olejnik, mit Tätern, wie dem Nazi-OB Bernhard Hackenberg und NSDAP-Kreisleiter Gustav Bockermann, dazu beigetragen, einen neuen Blick auf die Heimatstadt zu werfen. Es gebe Szenen, die den Schülern viel abverlangten, weiß Marco Spohr. Er war es, der die Dialoge zu den Personen geschrieben hat: „Wir haben Szenen von strammen Nazis und am Boden knieenden Opfern.“
„Man setzt sich mit der Rolle auseinander“, sagt Aaron (18), der Hackenberg verkörpert – und dann spiele man ihn so ekelhaft, wie man ihn empfinde. Doch sobald ich die Uniform ausziehe, bin ich wieder Aaron“, so der Schüler.
Die Theatergruppe sucht Requisiten
Die Theatergruppe sucht noch Requisiten aus den 30er Jahren: zwei schwarze Telefone mit Wählscheibe und eine alte Schreibmaschine. Falls jemand derartige Relikte früherer Zeiten besitzt und zur Verfügung stellen will, sollte er sich bitte melden: 99 29 99 (Stadtarchiv).
Premiere der Theaterdokumentation ist am Montag, 26. Juni. Die Vorstellung beginnt um 19 Uhr in der Aula des Ratsgymnasiums, Mittelstraße 50.
Eine weitere Aufführung ist für Mittwoch, 28. Juni vorgesehen. Sie beginnt ebenfalls um 19 Uhr.
Lena (18), die einen Gestapo-Mitarbeiter spielt, fühlt sich durch die Authentizität des Stückes besonders angesprochen. „Wenn wir jetzt durch die Stadt gehen, kennen wir die Geschichte hinter bestimmten Gebäuden“, sagt sie. Und Zeynep (16) ergänzt: „Vorher habe ich kaum etwas darüber gewusst. Jetzt mache ich mir viel mehr Gedanken.“ Janine (18) ist sich sicher, dass sie auch zukünftig populistischen oder ausgrenzenden Äußerungen entgegentreten werde.
Gespräche mit Opa und Oma über die Nazi-Zeit
Auch in den Elternhäusern haben die Jugendlichen über das Projekt gesprochen. Und manch einer hat seine Großeltern zum Thema „Nationalsozialismus“ befragt. „Meiner Oma ist das heute peinlich“, sagt einer aus der Gruppe, „aber sie hat Hitler applaudiert. Das hatte auch mit der Wirtschaftskrise zu tun.“
Stadthistorikerin Katrin Bürgel wollte mit diesem Projekt nicht nur „Stadtgeschichte lebendig und erfahrbar machen“. Ihr lag ebenfalls am Herzen, den Jugendlichen einen „neuen Zugang zu Geschichte“ aufzeigen. Das könnte Schule machen.