Gladbeck. . Thomas Hollenbach und Michael Frenkel reißen Kaufhaus und Parkdecks ein. Die Maschinenführer wissen, dass sie das Gesicht der Stadt verändern.
Ganz zart zupft Cat am Beton. Nicht mit einem Happs, sondern ganz wohlerzogen bricht er ein Stückchen ab – und Ebene sieben des alten Hertie-Parkhauses ist wieder ein paar Quadratmeter kleiner geworden.
Während Michael Frenkel sich mit seinem Caterpillar-Bagger langsam durch die Etagen frisst, arbeitet Maschinist Thomas Hollenbach mit dem wesentlich größeren Modell der Firma Liebherr. Weil diese Firma sonst auch weiße Waren herstellt, nennt Frenkel das Riesengerät auch „den Kühlschrank“. Korrekt handelt es sich um einen Longfrontbagger. Was ja auch wesentlich beeindruckender klingt.
Zwei Baggerfahrer reißen alles ab
Es ist nicht zu befürchten, dass sich ein Bagger von Schmähworten verletzen lässt. Und auf der Baustelle herrscht natürlich auch ein anderer Ton als, sagen wir mal, in einem Versicherungsbüro. Allerdings ist auf dieser Schutthalde, zwischen den Resten des ehemaligen Kaufhauses, auch selten Zeit für Dialoge die über Zurufe hinaus gehen.
Gerade einmal zwei Männer zerlegen die Gebäude gerade in ihre Einzelteile, manchmal kommt noch ein Kollege vorbei, um das Eisen (zum Beispiel aus dem Stahlbeton) aus dem Geröll zu sammeln. Dann kommt ein Magnet zum Einsatz.
105 Tonnen wiegt der Longfrontbagger
105 Tonnen wiegt der große Bagger, sein Motor bringt etwa 370 Kilowatt (das entspricht etwa 580 Pferdestärken). Die kann er allerdings nicht in Geschwindigkeit umsetzen – da erreicht er maximal Schritttempo.
Dafür punktet er mit anderen Qualitäten: Mit seinem langen Arm hat er eine Reichweite von 35 Metern. Trotzdem kann Hollenbach den Greifer am Ende ganz fein lenken. „Den kann man auf den Millimeter genau steuern.“ Dazu muss er mit Händen und Füßen parallel Joysticks und Pedale bedienen. „Wie ein Drummer – nur langsamer.“
Selektiver Rückbau: Material wird getrennt entsorgt
Dann greift der Baggerarm nach einer Lage Metallplatten, die zur Entsorgung beim Entkernen in der obersten Etage des alten Kaufhauses gestapelt wurden. Er nimmt sie hoch, doch diesmal ist der Abbruchausleger ein bisschen grobmotorisch. Ein paar Platten fallen herunter, landen scheppernd auf dem meterhohen Schutthaufen.
Doch der Rest fällt wie geplant mit einem satten „Rumms“ in den blauen Container. Selektiver Rückbau heißt das, erklärt Thomas Hollenbach. Das bedeutet, dass die Materialien getrennt gesammelt und entsorgt werden. „Dabei geht es vor allem um die Schadstoffe“, sagt er. Sie müssen speziell entsorgt werden.
Die einzelnen Schichten werden sichtbar
Die Bagger beißen sich Stück um Stück durch den Beton. Wie bei einer Lasagne werden die einzelnen Schichten sichtbar. Fliesen, Dämmstoffe, Folien, und natürlich jede Menge Metall aus dem Stahlbeton. Nicht mehr lange, dann werden die Bagger ins Herz des Kaufhauses vorgerückt sein. Und dann sind auch die Rolltreppen dran, das einzig verbliebene Inventar. Niemand habe sie gewollt, sagt Michael Frenkel. Nun werden sie auf dem Schrott landen.
Hollenbach lässt den Bagger tanzen. Wenn der den Greifer ausstreckt, müssen Passanten den Kopf in den Nacken legen. Damit der Maschinenführer alles im Blick hat, kann er das Steuerhaus neigen. „Sonst bekomme ich ja einen steifen Nacken.“
Oft kommen Zuschauer zur Baustelle, manche wollen nur kurz gucken, wie es voran geht, andere üben Manöverkritik. Aber meistens sitzen die Baggerfahrer ja ziemlich weit oben – und so einen Motor übertönt selbst der größte Besserwisser nur schwer. Die Arbeit vor Publikum macht den beiden Männern nichts aus. „Es ist ja auch eine große Veränderung für Gladbeck“, sagt Thomas Hollenbach. Spricht’s – und weiter geht das Baggerballett. In fünf Wochen soll der letzte Vorhang fürs Hertiehaus fallen.