Gladbeck/Bottrop. Das Schicksal eine jungen Frau aus Gladbeck ist auch nach Jahren noch ungeklärt. Kapitaldelikte verjähren im Gegensatz zu anderen Taten aber nicht.

Die Polizei gibt nicht auf, wenn es um Mord geht. Er verjährt nie. Ungelöste Fälle beschäftigen die Recklinghäuser Polizei noch Jahre und Jahrzehnte nach der Tat. Immer und immer wieder werden Akten durchgearbeitet, Spuren mit moderner Technik untersucht. Junge Beamte versuchen, Ermittlungsansätze aus vielleicht neuen Blickwinkeln zu finden. Es sind nicht viele ungeklärte Fälle, aber es gibt sie.

So wie den einer jungen Frau aus Gladbeck, die im August 2000 verschwand. Wie oft Menschen als vermisst gemeldet werden, lässt sich nicht sicher fassen. Meist löst sich das nach einigen Stunden glücklich auf. Im Fall der damals 20-Jährigen leider nicht.

Als Tage später persönliche Gegenstände der Frau in einem Feld in Bottrop-Kirchhellen gefunden werden, schrillen die Alarmglocken. Die Umstände lassen für die Ermittler nur den Schluss zu, dass aus einer Vermisstenmeldung ein Tötungsdelikt geworden ist.

Die Arbeit läuft diskret

Die Polizei tut sich schwer damit, alte Fälle ohne Anlass öffentlich zu machen. Die Arbeit daran läuft diskret. Wenn denn Hinweise aus der Bevölkerung Erfolg versprechen, verbreiten die Länderpolizeien oder das Bundeskriminalamt Aufrufe. „Denn ganz real ist hier ein Mensch gewaltsam ums Leben gekommen, der in der Regel Familie hatte, Freunde und Bekannte. Sie werden durch Veröffentlichungen mit Trauer und Erinnerungen konfrontiert – egal, ob sie erinnert werden wollen oder nicht. Und alles zu einem Zeitpunkt, den sie nicht beeinflussen können“, erklärt Michael Franz von der Pressestelle des Polizeipräsidiums Recklinghausen.

Grundsätzlich ist die Aufklärungsquote nirgendwo so hoch wie bei Mord und Totschlag – letzterer verjährt zwar, aber erst nach immerhin 20 Jahren. Meist handelt es sich bei Tötungsdelikten um Beziehungstaten. Täter und Opfer kennen sich, sind gar miteinander verwandt. Die Polizei hat keinen präventiven Einfluss auf diese Form von Gewaltkriminalität. Was bleibt, ist die klassische Polizeiarbeit, das „Aufräumen“. Eine Mordkommission muss den Täter ermitteln, gerichtsfest überführen. 100 Prozent Aufklärungsquote sind die Regel – in manchen Jahren sogar mehr, wenn neben aktuellen Taten ein „Altfall“ geklärt wird.

Mitunter hilft die Zeit

Dass die Quote so hoch ist, liegt auch daran, dass die Polizei in diesen Fällen alles auffährt, was sie hat. Personelle und sachliche Ressourcen spielen erst einmal keine Rolle, um Täter möglichst rasch zu ermitteln. Noch setzt eine alte Kriminalistenregel den Zeitrahmen: Entweder es gelingt in den ersten 48 Stunden oder es wird sehr schwer. Etwa dann, wenn Täter und Tote keine Beziehung zueinander hatten, ein „reisender“ Mörder sein Opfer zufällig ausgewählt hat. Es bleiben Fälle übrig, die trotz aller Ermittlungsansätze und Hinweise über Jahre offen sind. Wie viele Morde sich die Polizei immer wieder vornimmt? Im Polizeipräsidium haben sich in 40 Jahren gut 20 „Altvorgänge“ unter dem Oberbegriff „Straftaten gegen das Leben“ angesammelt.

Es ist Job der Polizei, Fakten und Möglichkeiten hin und her zu wenden, alte Bewertungen neu zu prüfen. Mitunter hilft die Zeit – und vor allem neue Technik: An alten Asservaten finden sich DNA-Spuren, die früher nicht nachzuweisen waren. Oder die internationale Polizei-Vernetzung legt Ähnlichkeit in der Tatbegehung offen und liefert Antwort, welcher Straftäter sich wann und wo aufgehalten hat. Manchmal gibt eine Festnahme am anderen Ende der Welt den Hinweis, der die Ermittler in Recklinghausen entscheidend weiterbringt. „Bei Mord geben wir nie auf“, sagt Michael Franz.

Einsatz auch bei ungeklärter Todesursache 

Immer dann, wenn der Verdacht besteht, dass ein Mensch nicht auf natürliche Weise zu Tode gekommen ist, wird die Polizei eingeschaltet. Etwa dann, wenn ein Notarzt, der den Toten vorher nicht als Patienten kannte, als Todesursache auf dem Totenschein „ungeklärt“ angibt. Etwa 900 Todesfälle werden pro Jahr Sache des für den Kreis Recklinghausen und Bottrop zuständigen Polizeipräsidiums. Meist steht rasch fest, dass kein Fremdverschulden vorliegt, seit 2004 werden jährlich zwischen 20 und 30 so genannte „Straftaten gegen das Leben registriert: Mord, Totschlag, fahrlässige Tötung (ohne Straßenverkehr).

Was vielen Menschen nicht bekannt ist, auch der Schwangerschaftsabbruch unter Verstoß gegen gesetzliche Bestimmungen und Fristen fällt darunter. Nach einer verpflichtenden Beratung ist ein Abbruch innerhalb der ersten drei Monate der Schwangerschaft „straffrei“, bleibt aber „rechtswidrig“. Die straffreie Abtreibung kann frühestens drei Tage nach der Beratung vorgenommen werden. Dazu ist ein Nachweis über die Beratung in einer staatlich anerkannten Beratungsstelle notwendig. In den Jahren 2012 und 2013 hat das Polizeipräsidium Recklinghausen dazu je einen Fall registriert und aufgeklärt.

Im Statistikjahr 2013 kam es insgesamt zu 18 Tötungsdelikten im Bereich des Polizeipräsidiums Recklinghausen. Vier Mordtaten, elf Totschlagsdelikte, zwei fahrlässige Tötungen und ein strafbarer Schwangerschaftsabbruch. Alle Taten wurden aufgeklärt.