Gelsenkirchen. Hassel schneidet beim Gelsenkirchener Stadtteil-Check in Sachen Kommunalpolitik mit am besten ab. Bezirksbürgermeister Klasmann weiß, warum.

Wie bewerten Sie den Einsatz von Kommunalpolitikern und Stadtverwaltung in Ihrem Stadtteil? Gehen Politik und Verwaltung die Probleme in Ihrem Stadtteil an? Mit diesen und noch weiteren Fragen haben sich die 5775 Teilnehmer unseres WAZ-Stadtteil-Checks zum Thema Kommunalpolitik beschäftigt – und erneut Noten vergeben. Die Gesamtdurchschnittsnote könnte die Experten in der Politik, im Rathaus, in den Bezirksvertretungen, die Fachleute vor Ort vielleicht enttäuschen.

Gelsenkirchen: Sind die Teilnehmer des Stadtteil-Checks politikverdrossen?

Wohlgemerkt, der Check der Stadtteile liefert keine repräsentativen Ergebnisse, sondern vielmehr ein Stimmungsbild. Und doch: Die Kommunalpolitik schneidet unter allen Themenfeldern des Stadtteil-Checks am schlechtesten ab. Fast ausreichend, 3,90 – so lautet die Gesamtnote. Sind die Stadtteil-Check-Teilnehmer nun etwa politikverdrossen?

Auch interessant

Ortstermin in Hassel. Hier bekommt die Kommunalpolitik eine der besseren Noten. Ganz genau eine 3,41. Resser Mark schneidet – wie auch bei den Fragen zuvor – wieder am besten ab. Hier gibt es ein Befriedigend (3,18). In Schalke-Nord hingegen ein Mangelhaft (5,18). Nun also Hassel. Wir sind unterwegs mit Thomas Klasmann, Bezirksbürgermeister für den Norden der Stadt. Er weiß, warum es den Hasselern nicht ganz so schwer gefallen sein muss, ihrer Politik vor Ort gute Noten zu geben.

Gelsenkirchen: Hassel ist als Stadtteil sehr beliebt und im Wandel

„Das hängt zum einen damit zusammen, dass Hassel als Stadtteil sehr beliebt ist“, nennt der 62-Jährige ein Beispiel. Und Klasmanns Blick wandert in Richtung Valentinstraße, dorthin, wo auf dem ehemaligen Gelände des Kraftwerks Westerholt neue Heimaten entstanden sind. Wo sich einst junge Familien niedergelassen haben.

Auch interessant

Und die mit Sicherheit schon in der Vergangenheit erkannt haben, was Thomas Klasmann an diesem kalten Morgen, im Februar 2020, erneut aufzeichnet: Hassel ist ein Stadtteil im Wandel, er ist es nicht nur zum heutigen Tage, er war es auch schon vor Jahren. Ende 2008 war Schicht im Schacht der Zeche Westerholt. Noch viel eher haben Kraftwerk und Kokerei geschlossen.

Die Industrie hat das Leben und die Vergangenheit in Hassel geprägt

„Das waren die drei Industriebereiche, die das Leben im Stadtteil im Wesentlichen geprägt haben. Das waren die Arbeitgeber im Stadtteil“, weiß Klasmann. Schon früh habe die Politik, als es um das Ende des Bergbaus in Hassel ging, die Fragen aufgeworfen: Was ist mit den Arbeitsplätzen, was ist mit den Ausbildungsplätzen? Der Strukturwandel im Norden von Hassel – „das ist schon ‘ne Aufgabe“, sagt der Bezirksbürgermeister auch. Heute arbeiten die Städte Gelsenkirchen und Herten zusammen, unter dem Motto „Zwei Städte machen Zukunft“. In Planung ist die Gründung einer Entwicklungsgesellschaft mit dem Namen „Neue Zeche Westerholt“.

Vieles hat sich im Laufe der Zeit neu entwickelt, es gab große Veränderungen. Im Frühjahr soll der Stadtteilpark Hassel, der aus einer Vision heraus entstanden ist, der Öffentlichkeit übergeben werden. Auf dem ehemaligen Kokereigelände ist seit 2016 auf einer Fläche von 30 Hektar ein Naherholungsangebot im Quartier für Jedermann im Bau. Und wieder ein Wandel.

Auch interessant

Das Dietrich-Bonhoeffer-Haus ist in Hassel zu einem Platz für alle geworden

Ein Stück von Gelsenkirchen-Hassel aus der Luft: Hier schneidet die Kommunalpolitik beim WAZ-Stadtteil-Check noch mit am besten ab.
Ein Stück von Gelsenkirchen-Hassel aus der Luft: Hier schneidet die Kommunalpolitik beim WAZ-Stadtteil-Check noch mit am besten ab. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Dass nun all dies gelingen kann, „liegt auch am Zusammenspiel mit dem Bürger“, führt Klasmann weiter an. Das Engagement sei einfach auch ein bisschen anders: „Hier haben sich die Leute eingesetzt, haben gefordert.“ Das Paradebeispiel für ein gelungenes Zusammenspiel einzelner Akteure ist mit Sicherheit das Bonni. So wird es genannt, von den Menschen vor Ort. Die Rede ist vom Dietrich-Bonhoeffer-Haus, das im Schatten der Lukaskirche vom Gemeindezentrum zu einem Treff- und Begegnungspunkt für alle im Stadtteil geworden ist. „Das Ziel war, einen öffentlichen Platz, einen Aufenthaltsort für alle zu schaffen.“

Auch interessant

Das Zentrum im Stadtteil wird von Alt und Jung genutzt. Träger ist die Bürgerstiftung Hassel. Neben der Zwei-Rad-Werkstatt geht es hinein ins Restaurant „Dietrichs“. Schräg dahinter ist ein Familienzentrum. Außerdem können Seminarräume von kleineren und größeren Gruppen angemietet werden. Nicht zu vergessen: Die Jugendarbeit, die im Bonni einen besonderen, weil auch sehr wichtigen Platz hat. Und die Schüler der benachbarten Sekundarschule, die das Bonni ebenfalls nutzen. In Sichtweite zum Bonni befindet sich nach seiner Verlegung die neue Filiale eines Discounters. Sein Sortiment sorgt dafür, dass auch im Hasseler Norden die Nahversorgung weiterhin gesichert ist.

Vom „Stadtteilerneuerungsprogramm“ hat Hassel enorm profitiert

Sicherlich habe es auch viele gute Zufälle gegeben, die das Leben in Hassel entscheidend geprägt haben, weiß Klasmann zu berichten. Er spielt damit auch auf die Fördergelder an, die aus den unterschiedlichsten Töpfen stammen. Stichwort „Stadtteilerneuerungsprogramm“ – „hätten wir davon nicht so gut profitiert, dann wäre die Entwicklung von Hassel nicht so wie sie heute ist“, meint der Bürgermeister des Bezirks.

Und doch ist nicht alles schön, da oben im Hasseler Norden. Lässt man das Bonni rechts liegen und läuft auf dem Eppmannsweg in Richtung Westerholt fällt auf: Hier, im Quartier Eppmannsweg, in der Siedlung, in der die meisten Häuser und Wohnungen der LEG gehören, ist der Leerstand augenscheinlich. Entstanden in den 50er, 60er Jahren hat das Quartier ganz offensichtlich an Attraktivität verloren. „Die Zeiten sind jetzt andere“, sagt Thomas Klasmann, die Wünsche zu wohnen, der Bedarf an Platz auch.

„Politik muss sich ändern, muss sich neue Möglichkeiten und Wege suchen“

„Politik muss sich ändern, muss sich neue Möglichkeiten und Wege suchen“, verweist der SPD-Mann, der seit 2004 dem Norden als Bürgermeister vorsteht, auf die Veränderungen im Gesamten. „Wir müssen die Quartiere stärken, wir müssen als Kommunalpolitiker zu den Menschen, sie da abholen, wo sie sich gerade befinden.“

Längst reicht es nicht mehr aus, den Infostand an gewohnter Stelle aufzubauen. „Die Politik muss überlegen: Wie kommen wir an die Menschen ran?“, betont Klasmann. Und er übt dabei auch ein bisschen Selbstkritik: „Es ist wichtig zu verstehen, dass wir Politikhandelnden nicht nur erwarten dürfen und können, dass die Menschen, die ein Anliegen haben, zu uns kommen.“ Man müsse zu den Menschen gehen, Politik müsse sich auf den Weg zu ihnen machen. Und: „Ich glaube, man muss das heute alles ein bisschen anders angehen“, sagt Klasmann auch, sich des Wandels bewusst. Und er denkt an Besuche, an ein noch aktiveres Umgehen der Politik mit den Anliegen der Bürger.