Wer wird neuer Oberbürgermeister Gelsenkirchens? Wer sitzt dann auf dem Chefsessel im Rathaus? Doch wie leben die Kandidaten zu Hause, was machen sie privat? Die WAZ schaute nach und klingelte bei dem CDU-Kandidaten Norbert Mörs an der Haustür an.
„Politikern sagt man immer gerne nach, sie würden stets ihr eigenes Süppchen kochen”, schreibt Norbert Mörs auf seiner Internetseite und kokettiert mit gängigen Vorurteilen. Er kann sich's leisten. Weil der 53-Jährige ein passionierter Koch ist. Und sein eigenes Süppchen kommt nur auf den Herd.
Die Küche: In Mörs Kölner Eigentumswohnung im Stadtteil Ehrenfeld (gleich neben Nippes) ist sie Entree und Herzstück zugleich. Man steht praktisch in ihr, wenn man die fünf Etagen bis unters Dach hochgeklettert ist. Aufzug Fehlanzeige: „Da überlegt man ganz genau, was man mit hoch oder runter nimmt”, lacht Mörs über den Fitmacher Treppenhaus.
Kochwelt mit Sonderwünschen
Die Küche: Als Mörs mit Ehefrau Ulla vor vier Jahren aus dem rheinischen Overath und dem Abschied aus der Politik nach Köln in das Dachgeschoss zog, gestalteten sie ihre Kochwelt nach eigenen Wünschen. Chic, modern, praktisch für die Handreichungen zwischen Herd und Kühlschrank ist sie. Mit freiem Blick in den offenen Wohn- und Essraum. Schnell gerät Mörs ins Fachsimpeln über Gewürze und Garzeiten und gesteht einen Luxus ein, den sich die beiden Küchenprofis gönnten: Einen zusätzlichen Dampfbackofen und einen zweiten Kühlschrank für Getränke. Darin: natürlich auch Kölsch. Man lebt schließlich in Köln, wobei Mörs erstens ein anpassungsfähiger Biertrinker ist (in Buer groß geworden mit Pils, in seiner niederrheinischen Beigeordneten-Zeit in Geldern als Nachbar der Diebels-Brauerei Alt-Genießer) und zweitens aber nicht der Kölner Kölsch-Manie verfällt, sondern sich seine gesunde Distanz zum Kölschen Klüngel erhalten hat.
Viele Male ist Mörs in seinem Berufs- und Politikerleben mittlerweile umgezogen. Ins Kölner Dachgeschoss hatten sich er und seine Frau aber „sofort veliebt”, mit keiner zuvor „so identifiziert”. Und doch ist klar: Nichts lieber als sie aufgeben und nach Gelsenkirchen ziehen würde er, wenn das Amt des Oberbürgermeisters in seiner Geburtsstadt winken würde. „Gelsenkirchen ist meine Heimatstadt”, unterstreicht Mörs. Zumal sich damit ein anderer, eher privater Wunsch wieder verwirklichen ließe: Ein Hund – mindestens in Kniehöhe, den das Stadt- und Berufsleben in Köln jetzt nicht erlaubt.
Dabei geht's vor der Tür und über die Straße gleich in den Stadtwald. Die Nordic Walking-Stöcke vor der Wohnungstür lassen erahnen, was das Ehepaar ins angrenzende Grün treibt: der stramme Marsch. Wenn denn gemeinsam Zeit dazu bleibt. Die ist nämlich knapp, nicht nur in diesen Wahlkampfzeiten. Ehefrau Ulla (54), mit der Norbert Mörs in zweiter Ehe seit 2006 verheiratet ist, teilt nicht nur sein Interesse an Politik (sie war zu seiner Landratszeit im Bergischen Kreis CDU-Kreistagsabgeordnete) und am runden Leder (die gebürtige Hessin wuchs neben Jürgen Grabowski auf), sondern kommt auch meist spät aus der Chefetage des Medienhauses, in dem sie arbeitet, nach Hause.
80 Meter Terrasse unterm Dach
Für stramme Märsche gereicht auch geradezu die Terrasse mit Blick übers „Veedel”. Sie misst, mit Edelstahlgeländer und Hartholz-Bohlen versehen, ungeahnte 80 Meter und führt um mehrere Ecken rund um die komplette Wohnung. „Einfach herrlich”, schwärmt Mörs und genießt das milde Sonnenlicht, während der Straßenlärm noch hinauf zum Dach dringt. Seine einstige Gartenarbeit in Overath beschränkt sich nun auf die sorgsame Pflege einer Klematis – und das Hochwuchten (ohne Aufzug!) der Blumenerde für die vielen terrakottafarbenen Töpfe, die unter der Obhut seiner Frau stehen.
Dass Mörs ein Bücherfreund ist, ist nicht zu übersehen. Langgezogen kleben förmlich schlanke, weiße Bücherborde an der Wand. Oben die zeitgeschichtlichen und politischen Bücher, darunter die Romane, etwa Fontane gesammelt und gebunden, und unten die Krimis, viel John le Carre´ oder Grisham. Gewalttätiges und blutrünstige Thriller sind seine Sache nicht.
Das Regal ist eine Auftragsarbeit des Schreiners. Wie andere Möbel im lichtdurchfluteten Wohnzimmer auch. Während in Mörs' Arbeitszimmer noch eine stattliche Bierkrug-Sammlung (auch einer von der Dortmunder Union!) an alte Zeiten erinnert und ein mächtiger grüner Ohrenledersessel in der Ecke steht, hat im Wohnzimmer die Moderne Einzug gehalten, die klassische, schwarze Corbusier-Liege mit ihrem gefährlichen Einschlaffaktor. Schwarz auch die Sessel, rot das Sofa, in dem der „schwarze” Kandidat fast versinkt. Rot-Schwarz? Im Wohnformat hat Mörs damit keine Probleme. In politischen Problemlösungsfragen auch nicht, versichert er (solange er der CDU-Boss im Rathaus wäre). Oder wie's der Koch Mörs bei seinem Gulasch-Rezept „Große Koalition” hält: halb und halb mit guter Würzung (mit mehr schwarzem Pfeffer als roten Paprika).