Wer wird neuer Oberbürgermeister Gelsenkirchens, wer sitzt dann auf dem Chefsessel im Rathaus? Doch wie leben die Kandidaten zu Hause, was machen sie privat? Die WAZ schaute nach und klingelte beim Amtsinahber und "Titelverteidiger" Frank Baranowski (SPD) an der Haustür an.
Die Hecke ist größer und dichter geworden, in den vergangenen fünf Jahren. Mehr Veränderung fallen nicht auf. Und wieder verpasst man fast die Einfahrt in die kleine Margarete-Haferkamp-Straße in Horst. Vor fünf Jahren war die WAZ zum Hausbesuch bei Frank Baranowski: Damals war er noch Landtagsabgeordneter und der SPD-Herausforderer bei der Oberbürgermeister-Wahl. Und nun der Amtsinhaber, der den Rathauschef-Sessel verteidigen will.
"Du, Oberbürgermeister . . ."
Ein neuer Esstisch steht vor der antiken Vitrine, die beiden Ledercouchen sind neu, ein Zwei- und Dreisitzer, und der hölzerne, amerikanische Postkasten, vor der Haustür in den kleinen Vorgarten gerammt, er ist verwittert. Das ist es aber schon an äußerlichen Veränderungen.
An äußerlichen. Denn in der Nachbarschaft der kleinen Innenraumbebauung mit einem Dutzend weiß verputzter und rot bedachter Häuschen im Herzen Horsts im Schatten der Hippolytus-Kirche hat sich natürlich herumgesprochen, dass hier seit fünf Jahren der Oberbürgermeister wohnt, wahrnehmbar auch, wenn morgens um 7.30 Uhr der Dienstwagen vorfährt. „Im Grund hat sich an der normalen Nachbarschaft aber nichts geändert”, sagt Baranowski, grüßt einen Anwohner und erzählt vom ersten Viertel-Fest mit Grill und Bierwagen. Gut, anders ist es schon, wenn das kleine Mädchen von nebenan ihn anspricht, „du, Oberbürgermeister. . .”.
Wegziehen, sich eine größere, vielleicht auch repräsentativere Bleibe suchen? Nein, der Gedanke ist Baranowski nicht gekommen. „Warum, ich fühle mich hier wohl.” Hier ist er mittendrin. Bäcker, Metzger, Supermarkt, man kennt sich aus. Und von der kleinen Stichstraße können Baranowski und Gudrun Wischnewski zu ihren Jogging-Touren aufbrechen, zum Nordsternpark etwa oder nach Gladbeck, wo manchmal der Vorteil der Anonymität lockt.
Als Ort für politische Geheimtreffen oder Empfangsstätte für Unternehmergrößen bietet sich Baranowski Doppelhaushälfte nicht an. Gewichtige Politgespäche etwa mit SPD-Landeschefin Kraft im Garten würden sich verbieten. Wer würde schon gerne flüstern im hellhörigen Gartengrün. Ohnehin: privat ist privat. Da trennt Baranowski Büro und Bleibe strikt.
Für Privates zu zweit, Grillabende auf der Terrasse etwa, bleibt allerdings wenig Zeit, zumal in diesen Wahlkampfzeiten. „Da kommt abends mal schnell vielleicht noch was in die Pfanne”, lacht Gudrun Wischnewski, die als Geschäftsführerin des Awo-Bezirks auch viel unterwegs und ins öffentliche Leben eingebunden ist. „Meine Frau”, nennt Baranowski die 48-Jährige, mit der er seit nunmehr über 15 Jahren zusammen ist. Und beide schmunzeln darüber, dass immer wieder gefragt wird, wann sie denn heiraten. „Das scheint ja zu interessieren”, sagt Baranowski, während der kleine Kugelbrunnen im Garten friedvoll plätschert.
Oft ist es im Arbeitsalltag nur das gemeinsame Frühstück, das beide zusammenführt. Bei dem der Hausherr in der Küche für das Müsli verantwortlich ist – Obst schneiden, Körner wässern. Geruhsamer ist der Sonntag, wann immer es möglich ist. Joggen, Brötchen mitbringen, ein Ei, die Zeitung, das Gespräch.
Baranowski ist zwar im Amt aufgegangen, aber nicht „aufgegangen” wie andere, Joschka Fischer zum Beispiel. Halbmarathons, Joggen, Mountainbike-Fahren, auch damit hält der 47-Jährige weiterhin seine Figur. Und winters steht das Fahrrad für Zimmertouren unter dem spitzen Dachgiebel.
Arbeiten auf dem Teppich
Auch ein Oberbürgermeister räumt auf, wenn Besuch kommt. Also sind die Akten und Papiere aus dem Wohnzimmer hinauf geschafft ins Arbeitszimmer. So bleibt nur die Vorstellung, wie Baranowski abends öfter den Teppich auf dem glänzenden Parkettboden zum Schreibtisch macht. Oder sich auf dem Dreisitzer ausbreitet, von dem er auch den Blick auf den Fernseher in der Ecke hat. Ein eher kleines und älteres Schätzchen, kein moderner Flachbildschirm. „Für die Nachrichten oder Tagesthemen reicht er”, sagt Baranowski. Für mehr reicht auch die Zeit nicht. Ganz aktuell kommt dagegen die Musikwelt daher: digital vom i-Pod in der Boxen-Station. Daraus erklingt immer noch gerne Rockiges, Bruce Springsteen etwa, aber immer öfter auch Klassisches.
Und das dank des OB-Jobs, der Baranowski nunmehr regelmäßig ins Musiktheater führt. Eine Bereicherung ist das. Ohnehin: „Ich habe die Stadt in den Jahren viel besser, intensiver kennen gelernt”, sagt Baranowski. „Nah dran” wie nie zuvor, sei er an seiner Heimatstadt. Das ist auch mit Stolz auf sie verbunden (ein Wort, das Baranowski vorsichtig einsetzt), mit Verantwortungsgefühl und dem Drang mitunter, sich auch um Kleinigkeiten zu kümmern. Da muss mitunter der Gang mit dem Handmäher über das kleine Rasenstück warten.