Gelsenkirchen. Zahlreiche in Gelsenkirchen lebende Syrer sorgen sich um ihre Angehörigen. Die schrecklichen Bilder machen sie krank. Bilder von Krieg, Zerstörung, von Menschen in Panik, aber auch von Wut über das brutale Assad-Regime. Die EU nimmt Flüchtlinge aus der Region auf, doch oft werden Familien getrennt.
Diese schrecklichen Bilder machen sie krank. Bilder von Krieg, Zerstörung, Bilder von Menschen in Panik, Bilder von trauernden Zivilisten, von Angst vor dem nächsten Angriff, aber auch von Wut über das gnadenlose, brutale Assad-Regime.
„Jeden Tag, wenn wir essen, fragen wir uns: Wie halten die das aus? Ohne Essen, ohne Strom, ohne Wasser!“ Sihan Hashimi, Samira Abdallah und Teile ihrer Familien haben ihre syrische Heimat schon vor Jahren verlassen. Nun möchten sie ihre Angehörigen zu sich holen, kämpfen zum Teil seit Monaten darum – doch der nachvollziehbare Wunsch scheitert an schier unüberwindbaren bürokratischen Hürden.
Familie in Norwegen, Holland, Dänemark, Österreich und Deutschland verstreut
Ja, Europa nimmt syrische Kriegsflüchtlinge auf. Am Beispiel von Samira Abdallahs Familie sieht das so aus: Ihre Eltern und ein Bruder sind in Norwegen, ein weiterer Bruder in Dänemark, drei Familienmitglieder haben eine Bleibe in den Niederlanden, in Österreich und in Hamburg gefunden. Anders sieht es bei Sihan Hashimi aus. Sie ist in entsetzlicher Sorge um ihre Tochter Khaled (22) und ihren 13 Monate alten Enkel.
„Meine Tochter ist in die Türkei geflohen, nachdem man ihren Mann erschossen hat“, erzählt sie im Frauentreff Courage. Warum sie vor 14 Jahren bei der Ausreise aus Syrien ein Kind zurück gelassen hat, erklärt ihr 19-jähriger Sohn Ahmed, frischgebackener Abiturient: „Als wir damals rüber wollten, hat mein Opa zu Vater gesagt: ,Ich möchte gerne einen Teil von dir hier behalten.’ Das war dann meine große Schwester. Wir haben das schon sehr, sehr bereut.“
Versplichtungserklärung der aufnehmenden Angehörigen
Auch, weil die Familie weiß, welchen gesellschaftlichen Stellenwert eine junge Witwe mit Kind hat ... „Sie lebt wie im Knast.“ 600 Euro bräuchten die Hashimis als Bürgschaft. „Aber wir sind arbeitslos.“ Ferner setzt die Aufenthaltserlaubnis voraus, dass aufnehmende Angehörige eine Verpflichtungserklärung abgeben müssen, wonach sie für die Kosten des Lebensunterhalts der Einreisewilligen aufkommen. So verlangt es ein Erlass des NRW-Ministeriums für Inneres und Kommunales. Eine Härtefallregelung gibt es nicht.
Vieles kann Mohamed Ibrahim ja auch nachvollziehen. „In Syrien leben 23 Millionen Menschen. Es ist doch keine Lösung, die Leute raus und nach Europa zu holen“, sagt er und fügt hinzu: „In Deutschland ist es auch schwierig. Viele haben hier selber keine Arbeit.“ Auch Ibrahim hat innerhalb seiner Familie ein Schicksal zu beklagen. Sein Neffe gehört zu den Todesopfern des syrischen Krieges, seine 23-jährige Nichte lebt mit ihren drei kleinen Kindern immer noch dort.
Verschiedene Methoden der Einreise
Die Familien waren bei der Arbeiterwohlfahrt und beim Roten Kreuz. „Aber man hat uns zur Ausländerbehörde geschickt“, konstatieren sie. Sie erzählen ihre persönliche Geschichte im Frauentreff Courage. Wilma Mittelbach hat sich der Probleme der syrischen Frauen, Männer und Kinder angenommen. Sie sagt: „Es gibt verschiedene Methoden der Einreise.“ Entweder über die Vereinbarung der Bundesrepublik, 20 000 syrische Flüchtlinge aufzunehmen. Oder über das Hauptverfahren nach dem Landesgesetzt. Dabei müssen Angehörige nachweisen, dass sie die zugereisten unterbringen und selbstständig unterstützen können. Methode drei nennt Mittelbach mit Sarkasmus in der Stimme und auch nur der Vollständigkeit halber: mit illegalen Schleppern, für viel, sehr viel Geld.