Gelsenkirchen. . Sie ist sowas wie der Schnuppertag zu Rollenspielen, die GE-Convention, zu dem am Wochenende das Grüne Zentrum einlud. Wie genau funktioniert diese sehr spezielle Form des Kopfkinos , warum entwickelt sich manches Spiel über Jahre hinweg weiter und was für Menschen spielen da eigentlich?
Der Raum ist eher schmucklos, fast karg. Ein paar Chips-Tüten und Kekse liegen auf den Tischen. Und ein Spielbrett mit seltsamen Würfeln. „Bei der alten Ruine liegt ein Schatz, aber die Wächter in der gleißenden Mittagssonne behüten ihn. Wir müssen versuchen, sie zu überwinden!“ Patrick Jedamzik ist Leiter des „Rollenspiels“, gibt den drei Personen an seinem Tisch Anweisungen. Aber wo liegt die alte Burg, wo ist die Mittagssonne?
„Das ist Kopfkino“, sagt Mathias Scheyweck und lacht, „das macht dieses Spiel so interessant. Es ist anspruchsvoller als sein Ruf“. Rollenspiele für verschiedene Genres, meist Fantasy, Horror und Science-Fiction, gibt es seit 40 Jahren. „Das hat 1974 in den USA mit „Dungeons & Dragons“ begonnen“, weiß Ralf Sandfuchs. Anfangs hatten alle Spielzeugläden die Bücher („Hand-Books“) dazu. „Die Bewegung ist dann eingeschlafen, heute gibt es mehr Themen, aber die Verbreitung ist geringer. Im Spielwarenhandel gibt es keine Anleitungen mehr“.
Improvisation ist wichtig
Die sind jetzt im Fach- und Onlinehandel erhältlich und für Aufmerksamkeit soll der jährliche „Gratisrollenspieltag“ wie am Samstag im Grünen Zentrum sorgen. Patrick Jedamzik hat den Tag in Gelsenkirchen koordiniert und freut sich über fünfzehn Teilnehmer. „Jeder ist ein Schauspieler und der Spielleiter so etwas wie der Regisseur“, erklärt er begeistert.
Ein Theaterstück am Tisch – kurios. Anhand der „Hand-Books“ bestimmt der Spielleiter, wer welche Rolle einnimmt. Die Charaktere haben feste Eigenschaften und es gibt einen groben Handlungsverlauf. Alles Weitere hängt von der Fantasie der Mitspieler ab.
Und was ist mit den Würfeln? Es gibt Fragen wie „Schaff ich es, durch den Fluss zu schwimmen?“ Der Wurf bestimmt die Wahrscheinlichkeit, das rettende Ufer zu erreichen. Geht es nicht, muss sich der Spieler eine Alternative überlegen. Zudem gibt es Stabilitätspunkte, Magiepunkte, . . . Es braucht ein gutes Gedächtnis, den Überblick zu behalten. „Man lernt Teamfähigkeit und Improvisation“ schwärmt Daniel Neugebauer. Der 31-jährige Politikwissenschaftler spiel seit dem 16. Lebensjahr.
Man trifft sich in festen Gruppen. Zu Viert kommt man am besten durch einen Plot. Wenn es mehr werden, verzettelt es sich. „Es gibt Spiele, die gehen über Jahre. Die Charaktere entwickeln sich gemeinsam mit dem Spieler“, erklärt Mathias Scheyweck. Der 30-jährige Physiker möchte übrigens auch mal aufräumen mit dem verbreiteten Vorurteil, Rollenspieler seien einsame Spinner, die etwa mit einem Fell bekleidet durch den Wald rennen.
Das Spiel braucht ein echtes Drehbuch und kreative Mitpieler
„Gioco di ruolo“ heißt das Rollenspiel im Italienischen, auch im „Stiefel“ wird gespielt. Nadia Quaranta aus Wuppertal hat ihr geliebtes Hobby vor zehn Jahren aus Taranto mit nach Deutschland gebracht und sich hier eine Gruppe gesucht. „Natürlich muss man die Sprache beherrschen, um mitzumachen“, sagt sie in perfektem Deutsch. Quaranta ist noch einen Schritt weitergegangen, sie entwirft selbst Geschichten.
Zum Gratisrollenspiel-Schnupper-Tag hat die Umwelttechnologin und Italienisch-Lehrerin das Skript „Die Abtei“ mit nach Gelsenkirchen gebracht. Ein mysteriöses Klostergemäuer im Norden Roms der 1920er-Jahre ist Schauplatz von schaurigen Ereignissen. Quaranta hat die Spielerbögen entworfen, ein richtiges Drehbuch. Und was ist mit den alten Freunden des Rollenspiels in Italien? „Wir spielen immer noch, via Skype.“