Gelsenkirchen/Essen.

Nur unwesentlich erhöhte das Landgericht Essen am Mittwoch die Strafe gegen einen Kölner, der in Gelsenkirchen minderjährige Jungen für Sex bezahlt hatte. Im Februar 2013 hatte das Landgericht ihn zu vier Jahren Haft verurteilt. Nachdem der Bundesgerichtshof die Strafe auf Antrag der Staatsanwaltschaft als zu milde aufgehoben hatte, verurteilte eine andere Essener Kammer den 37-Jährigen jetzt zu vier Jahren und zehn Monaten Haft. Die Staatsanwaltschaft hatte zwei Jahre mehr Gefängnis gefordert.

Deutliche Strafmilderung brachte dem Kölner aus reichem Elternhaus, dass sein Anwalt Rüdiger Deckers den fünf missbrauchten Jungen im Auftrag des Mandanten Schmerzensgeld zahlte. So bekam ein Junge am Mittwoch im Gericht 5000 Euro überreicht. Diese Zahlung sorgte als gesetzlich vorgesehener „Täter-Opfer-Ausgleich“ für einen milderen Strafrahmen. Richter Günter Bu­sold sprach im Urteil zwar davon, das Gericht wolle „das Unrecht der Taten nicht schmälern“. Es sei aber ein Unterschied, ob man den Missbrauch zwangsweise erleiden müsse oder „als Pubertierender die Möglichkeit hat, ein bisschen Geld zu verdienen, wenn man ein bisschen herumfummelt“. Das jüngste Kind war zwölf Jahre alt.

Erpressungsversuch gescheitert

Die rechtliche Aufarbeitung der Prostituierung minderjähriger Jungen aus Gelsenkirchen ist noch nicht zu Ende. Nachdem die III. Essener Strafkammer das auf vier Jahre Haft lautende Urteil gegen einen 37 Jahre alten Kölner nur unwesentlich um zehn Monate erhöhte, ist erneut eine Revision der Staatsanwaltschaft möglich. Anklägerin Sabine Vollmer hatte sechs Jahre und zehn Monate Haft gefordert. 2012 hatte der Kölner einen 22-jährigen Gelsenkirchener kennengelernt, mit dem er Sex hatte. Ihn fragte er, ob er ihm nicht jüngere Sex-Partner liefern könne.

Wie bestellt vermittelte der 22-Jährige minderjährige Jungen aus der Nachbarschaft, die jeweils 30 Euro bekamen. Der Vermittler kassierte mindestens 70 Euro. Zum Schluss versuchte er erfolglos, mit Fotos der Sex-Praktiken den reichen Kölner zu erpressen.

Weitere Zahlungen an Opfer ausgeschlossen

Die erste Verurteilung der V. Kammer im Februar 2013 hatte der Bundesgerichtshof als zu milde aufgehoben. Richter Günter Busold, Vorsitzender der III. Strafkammer, nutzte am Mittwoch die Urteilsbegründung, das Verfahren in Frage zu stellen. Für die Kammer sei nicht nachzuvollziehen, dass der 22-Jährige milder bestraft worden sei als der Kölner. Busold: „Gelegenheit macht Diebe, und diese Gelegenheit hat der 22-Jährige geschaffen. Ohne ihn wären die Taten nicht möglich gewesen.“ Dass ohne das Geld des Kölners die Taten ebenfalls nicht möglich gewesen seien, sprach er nicht an. Das milde Urteil gegen den 22-Jährigen hat der BGH ebenfalls aufgehoben.

Laut wurde es, als Opfer-Anwalt Jan Czopka kritisierte, dass Verteidiger Rüdiger Deckers den Jungen ohne Anwalt Schmerzensgeld zahlte und weitere Zahlungen ausschloss. Niemand könne wissen, ob später psychische Schäden auftauchten, sagte Czopka. Bei den Jungen mit Anwalt habe Deckers den Ausschluss nicht vereinbart. „Das ist doch das Letzte“, rief Deckers.