Gelsenkirchen. Zweisprachigkeit zieht sich wie ein roter Faden durch das Projekt „Migration und seelische Gesundheit“. Die Selbsthilfe-Kontaktstelle und die Selbsthilfegruppe „Dialog“ organisieren es. Hier weiß man: Muttersprachliche Angebote sind eine Rarität, der Bedarf indes ist groß.

Patienten mit türkischen Wurzeln, die Gürcan Keser, den psychologischen Fachkrankenhelfer aus den Evangelischen Kliniken kennen, finden noch am ehesten den Weg in die Selbsthilfegruppe „Dialog“. Eine Gruppe, in der Migranten muttersprachlich über ihre psychische Erkrankung sprechen können, in der sie Hilfe bekommen, um aus der Isolation des seelischen Kopfgefängnisses auszubrechen.

Migration und seelische Gesundheit ist ein Themenfeld, das Gürcan Kesers „Dialog“ gemeinsam mit der Selbsthilfe-Kontaktstelle Gelsenkirchen jetzt in den Fokus rückt. Ein Grund nennt Sozialpädagogin Ute Rosenthal von der Kontaktstelle: „Psychosoziale muttersprachliche Angebote sind noch rar gesät und wenig besucht.“

Sprache ist ein zentrales Problem

Sicher gebe es auch kulturell bedingte Unterschiede bei der Einschätzung gerade seelischer Krankheiten. Umso wichtiger seien Hilfsangebote. „Aber die Sprache ist ein großes Problem“, unterstreicht Gürcan Keser. Was dazu führe, dass viele Migranten Möglichkeiten der Hilfe für ihr individuelles Problem gar nicht kennen und auch nicht wüssten, wo es Ansprechpartner im Bereich psychischer Störungen wie etwa Depressionen gibt. Seine Gruppe ist die einzige weit und breit, wie er sagt, die Hilfe speziell für türkischsprachige Erkrankte anbiete.

„Derdini söylemeyen derman bulmaz“ – „Trost wird man nicht finden, wenn das Problem nicht erzählt wird“: Mit dieser Weisheit laden Kontaktstelle und „Dialog“ jetzt zu den Veranstaltungen im Rahmen des neuen Projekts Migration und seelische Gesundheit ein. Zweisprachig, womit schon im Vorfeld eine entscheidende Barriere verschwindet.

Krankenkassen finanzieren das Projekt

Ein Ziel des von Krankenkassen finanzierten Projekts ist die Schaffung eines Netzwerkes. Vertreter der Stadt, Ärzte, Krankenhaus-Mitarbeiter und weitere Akteure des Gesundheitswesens sowie Multiplikatoren, etwa Vertreter von Moschee-Vereinen, sind zur Auftaktveranstaltung am Montag, 10. März, eingeladen. Für das Treffen ab 18 Uhr im Haus des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes an der Dickampstraße 12 gilt, was auch für folgenden Veranstaltungen vorgesehen ist: Es wird immer ein Dolmetscher zur Stelle sein. Zweisprachigkeit soll sich wie ein roter Faden durch das Projekt ziehen.

Fragestellungen sind u.a., warum so viele Menschen, die ihre Heimat verlassen haben, seelisch krank sind, welche Möglichkeiten Selbsthilfegruppen bieten oder welche türkischsprachigen Angebote es in Gelsenkirchen gibt. Die Initiatoren haben sich zum Ziel gesetzt, Betroffenen, Angehörigen und Interessierten Wege zum Gesundheitssystem aufzuzeigen – aber auch gemeinsam neue Wege zu finden.

„Dialog“-Gruppe trifft sich ab 7. März immer freitags

Nach dem offiziellen Aufschlag mit Experten macht sich das Projektteam – dazu gehört neben Sozialpädagogin Ute Rosenthal und Krankenpfleger Gürcan Keser auch Sozialpädagogin Christa Augustin-Sayin von der Selbsthilfe-Kontaktstelle – an die Basisarbeit. Das heißt: Das Trio geht auf Tournee durch Kulturvereine und Gemeinden, um Menschen zu sensibilisieren, auf Angebote aufmerksam zu machen oder sie in die Selbsthilfegruppe „Dialog“ einzuladen.

Zwischen Mai und August sind die Drei in Sachen seelische Gesundheit türkischstämmiger Gelsenkirchener unterwegs; am Wochenende 25./26. Oktober ist ein Workshop mit Fachleuten und Betroffenen geplant, bei dem neben Informationen besonders eines im Fokus steht: Hemmschwellen abzubauen. Ein Thema, das Gürcan Keser nur zu gut kennt: „Psychische Krankheit ist ein Tabu-Thema. Da gibt es großen Aufklärungsbedarf.“

In der Gruppe „Dialog“, die sich ab 7. März jeden Freitag in der Tagesklinik der Ev. Kliniken, Munckelstr. 27, trifft, haben Religion und Politik keine Chance, betont Keser. „Wir machen Gesundheit, alles andere bleibt außen vor.“ Weitere Info in der Selbsthilfe-Kontaktstelle, 9 13 28 20.