Gelsenkirchen. Markus Götten (47) schnappte zusammen mit einem zweiten Zeugen einen Serientäter nach dem Überfall auf einen Lottoladen an der Horster Straße in Gelsenkirchen. Die Angestellte (52) hatte sich bereits mit Pfefferspray gewehrt. Für den Familienvater ist es bereits die zweite Begegnung mit einem Räuber.

Dieser Kerl würde ihm nicht entwischen – das stand fest, als Markus Götten Gas gab und einem maskierten Mann nach einem Raubüberfall auf ein Lottolädchen an der Horster Straße hinterherspurtete.

Er stürzte sich auf den Täter, kniete sich auf seinen Brustkorb und hielt ihn zusammen mit einem zweiten Zeugen, einem Rettungswagenfahrer, fest bis die Polizei kam. Nun stellte sich heraus, dass es sich bei dem Gestellten um einen Serientäter handelt, der für mindestens neun Raubüberfälle in Gelsenkirchen verantwortlich ist.

Ein Vorbild für andere sein

Als arbeitsuchender Kfz-Mechaniker weiß Markus Götten wie es ist, mit wenig auskommen zu müssen. „Aber deswegen jemanden ausrauben? Das geht gar nicht“, sagt der 47-Jährige ein paar Tage nach dem Überfall auf den Lottoladen am 20. Dezember gleich neben seiner Wohnung an der Horster Straße. Deshalb ist es wichtig für ihn, ein Vorbild zu sein, an andere Menschen zu appellieren: „Schaut nicht weg, sondern mischt euch ein!“

Von vorne: „Ich kam gerade mit meinem Sohn aus dem Haus, als uns ein Mann mit schwarzer Maske entgegenkam“, berichtet der Familienvater. „Als er auf unserer Höhe war, gab er richtig Fersengeld.“

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Schnell schaltete Markus Götten, warf einen Blick in den Laden und erkannte in den bleichen Gesichtern der Mitarbeiterinnen: „Die wurden ausgeraubt.“ Götten rannte los, die Horster Straße hoch, dem Mann mit der schwarzen Wollmütze und dem Kapuzenpulli hinterher.

Der zweite Zeuge sah das Geschehen und schloss sich Götten an. „An der Königgrätzer Straße hatte ich ihn eingeholt und beobachtete, wie er nun langsamer über die Straße lief.“ Offenbar hatte der Täter seinen Verfolger nicht bemerkt und wähnte sich bereits in Sicherheit.

Götten nahm Täter in den Schwitzkasten

Für Markus Götten stellte sich nun die Frage: Was tun? Den Täter angreifen und niederringen bedeutete ein hohes Risiko. Schließlich lief auch Sohn Timo (11) bei der Verfolgung nur wenige Meter hinter seinem Vater. Doch: „Nichtstun kam für mich nicht infrage.“ Also nutzte Götten den Überraschungsmoment, überwältigte den 20-jährigen Täter von der Seite und nahm ihn in den Schwitzkasten bis er zu Boden ging.

Ob der Räuber eine Waffe hatte? „Das wusste ich eben nicht“, erzählt Götten. „Seine rechte Hand hatte er in der Tasche seines Kapuzenpullovers versteckt.“ Erst nach Aufforderung, die Hände zu zeigen, war klar, dass der junge Mann keine Pistole und kein Messer dabei hatte. „Es hätte auch anders ausgehen können“, weiß Markus Götten. Das mahnten auch Freunde und Verwandte. Doch: „Für mich war es richtig in diesem Moment so zu handeln.“

Diese Begegnung ist bereits die zweite, die Markus Götten mit einem Dieb gemacht hat. „Dem Nachbarn hatten sie in Spanien den Bungalow ausgeräumt“, erinnert er sich. Damals hatten Götten und einige andere Urlaubsnachbarn den Täter zwar geschnappt, in einem unachtsamen Moment konnte dieser jedoch fliehen. „Als er wegrannte hat er mich noch angegrinst.“

„Nichtstun ist immer die schlechteste Option“

Dieses Mal nicht: Nachdem Markus Götten den jungen Mann auf dem Bürgersteig überwältigt hatte, scharten sich Schaulustige um das Gerangel, die den Täter am Boden zunächst schützen wollten. „Nachdem ich die Situation erklärt hatte, riefen sie aber die Polizei.“

Der elfjährige Timo ist stolz auf seinen Papa. Auch wenn er weiß, dass sein Einsatz gefährlich war. Vater Markus aber findet, dass es wichtig ist, mit gutem Beispiel voran zu gehen – „und zumindest die Polizei zu rufen, wenn man etwas Unrechtes sieht“. Denn: „Nichtstun ist immer die schlechteste Option.“

Täter verübte wohl neun Überfälle in vier Wochen 

Nach aktuellem Ermittlungsstand der Kriminalpolizei ist der 20-jährige Gelsenkirchener, der bei seinen Eltern in Horst lebt, verantwortlich für insgesamt neun Raubdelikte, die er innerhalb von nur vier Wochen verübte. Ziele seiner Beutezüge waren Tankstellen, Kioske, Imbissbuden und Lottoannahmestellen, wo er Bargeldbeträge in unterschiedlichen Höhen erbeutete. In einigen Fällen bedrohte er Mitarbeiter mit Messern oder einer Softairpistole, so die Polizei.

Kurios: Kurz nachdem der 20-Jährige mit Hilfe des Zeugen Markus Götten am 20. Dezember geschnappt werden konnte, kam der Räuber wieder auf freien Fuß – die Polizei hatte zunächst keinen Haftbefehl beantragt. „Nach Rücksprache mit der Justiz wurde er noch mal auf freien Fuß gesetzt“, heißt es in der Polizeimitteilung. Nach weiteren Ermittlungen stellte sich schließlich heraus, dass es sich bei dem 20-Jährigen um den gesuchten Serientäter handelt. Erst am Donnerstag, 2. Januar, schlug die Polizei dann zu und nahm den Mann ein zweites Mal fest. Dieser sitzt nun in Untersuchungshaft.

Allein an diesem Freitag, dem 20. Dezember, hatte der Täter drei Geschäfte überfallen. Bei seinem letzten Überfall auf das Bueraner Lottolädchen betrat er mit einer Sturmmaske vermummt die Annahmestelle und wies die 52-jährige Angestellte an, ihm Bargeld zu geben. Vergeblich – denn auch die Verkäuferin bewies Mut und besprühte den Vermummten mit Pfefferspray. Daraufhin flüchtete er – und lief den Zeugen in die Arme.