Gelsenkirchen. Mit “Vollhorst“ und “willste watt“ möchte derzeit die Stadtmarketing-Gesellschaft die Identifikation mit Gelsenkirchen und die Bekanntheit einiger Wahrzeichen stärken. Doch die neue Merchandising-Kampagne der Stadt spaltet die Gemüter. Sind die Motive nun “voll cool“ oder schlichtweg peinlich?
„Willste watt von MiR?“ Locker vom Hocker formuliert wirbt der Spruch für Gelsenkirchens großartiges Musiktheater im Revier. Ausführlich heißt der Werbegag: „Willi liebt die Operette, Stefan Wagner und Ballett. Das Beste von allem gibt es im MiR.“ Das ist einer von vier Sprüchen, die samt passendem Motiv auf Beuteln oder Bechern, auf Schirmen oder Postkarten stehen, die die Stadtmarketing-Gesellschaft (SMG) konzipiert und gemeinsam mit der städtischen Abteilung Öffentlichkeitsarbeit aufgelegt hat. Alles firmiert unter dem von Sandra Falkenauer kreierten Slogan „Gerne Gelsenkirchen“.
Die SMG-Marketingleiterin sagt: „Die erfolgreiche Gesichter-Kampagne im Frühjahr hat gezeigt, wie sehr sich die Gelsenkirchener mit ihrer Stadt identifizieren. Wir führen dies nun mit der frechen, neuen Linie und dem Motto ,Gerne Gelsenkirchen’ fort.“ Neben dem MiR gehören drei weitere GE-Wahrzeichen zur jungen Merchandising-Linie: Himmelstreppe („Himmel... Arsch... und Zwirn“), Doppelbogenbrücke im Nordsternpark („Krumme BRücken können auch entzücken“) und Herkules („Vollkommen falsch. Ich heiße Herkules und nicht Horst!“) – kurz also: Voll-Horst
Tassen, Schirme und Bälle
Für Liebhaber der eher traditionellen Form dürfte die zweite Merchandising-Linie interessant sein: Uwe Gelesch hat das Motiv, die Nord-Süd-Silhouette mit den wichtigsten Bauwerken, entworfen. Auf Tassen und Frühstücksbrettchen gibt es das Motiv zunächst, als Beutel wird es demnächst ebenfalls zu haben sein.
Apropos haben: Die neuen Artikel kosten zwischen 50 Cent (Postkarten) und 19,90 Euro (Schirm). Die frechen Kaffeebecher wechseln für 8,90 den Besitzer, der Schlüsselanhänger „Gerne Gelsenkirchen“ aus Schurwollfilz für 5,90 Euro. Auch ein „Vollhorst“-Ball gehört zur Produktserie (3,90 Euro). Die Angebote der SMG sind in der Stadt- und Touristinfo im Hans-Sachs-Haus erhältlich, außerdem in der weihnachtlichen Gelsenkirchen-Hütte auf dem Neumarkt.
(Voll)Horst ist im Gespräch
Erfrischend, witzig und ja, auch leicht provokativ kommt die neue GE-Marke auf Beutel, Becher und Bärchentüte in der Sprache des Ruhrpotts daher. Köstlich. Damit können sich Junge und jung Gebliebene identifizieren. Doch schon kommen die ersten kritischen Stimmen, die ins Ruhrpöttische übersetzt nörgeln: Bloß nich am Herkules packen, dat is Kunst. Na und? Der Koloss vom Nordsternturm wird nicht mehr und nicht weniger augenzwinkernd auf Becher, Beutel & Co präsentiert wie Himmelstreppe oder Doppelbogenbrücke. Im wahren Leben polarisiert Herkules hoch droben sowieso längst. Wie das bei Kunst eben so ist. Sie gefällt – oder nicht. Der Kosename für den Kunst-Horster ist auch keine neue Wortschöpfung. Also, warum sich aufregen? Vollhorst oder Herkules, über diese (Un-)Gestalt mit Keule und nacktem Hintern wird wenigstens gesprochen.
Inge Ansahl
Öko-Gummibärchen am Hauptbahnhof verteilt
Markus Schwardtmann, Leiter des Bereichs Öffentlichkeitsarbeit und Teamleiter Marketing, hat gestern Morgen mit einem Kollegenteam noch auf ganz spezielle Weise Werbung für die Stadt gemacht. Mit großem Erfolg, wie Schwardtmann später berichtete: Am Hauptbahnhof erhielten Reisende – davon gibt es ja zurzeit mehr – und Passanten Postkarten mit Gutschein und Nervennahrung. „Herzlich willkommen in Gelsenkirchen.“ Der handliche Gruß birgt einen Preisnachlass in Höhe von 5 Euro für einen Besuch der Zoom Erlebniswelt.
Humor geht daneben
Humor ist, wenn man trotzdem lacht? Nein, tut mir Leid, geht im Fall von Voll-Horst überhaupt nicht. Bei diesem peinlichen Möchtegern-Gag kommt mir nicht einmal das allerkleinste Lächeln über die Lippen. Und ich lache wahrhaftig gerne, gerne auch unter Niveau.
Voll-Horst heißt im Volksmund so viel wie Vollidiot oder Volltrottel. Voll-Horst nennen noch immer einige Gegner den wunderbaren Lüpertz-Koloss auf dem Nordsternturm. An dieser Kunst kann man sich reiben, muss man drüber diskutieren, da darf man gerne auch augenzwinkernd selbstironisch dran gehen. Tut der neue Marketing-Spruch aber nicht. Er kippt Wasser auf die Mühlen der Herkules-Verächter. Das mächtige Werk aber hat das Potenzial, Identifikation zu stiften. Das Logo konterkariert dieses Bestreben, wiederholt einfach Spott und Häme. Schade, dieses Marketing geht voll daneben.
Elisabeth Höving
Die dazu gehörigen Gummibärchen, öko und fair, sind der neuen Linie getreu frech in Voll-Horst-Tütchen verpackt.