Gelsenkirchen.. Sie sorgen für Sicherheit auf Autobahnen, Bundes- und Landesstraßen, setzen Fahrbahnen instand, räumen Weggeworfenes von der Fahrbahn, schneiden Hecken an der Leitplanke: Ihr Job ist extrem gefährlich. Und dabei müssen sie sich oft auch noch böse Sprüche von vorbeifahrenden Autofahrern anhören. Bei einem Sicherheitstraining übten die Gelsenkirchener jetzt, vorsichtig genug zu bleiben.




Ein Blick in den Rückspiegel – schaff’ ich es vor dem LKW oder nicht? Eine lebensgefährliche Entscheidung – die Nadine Nagel (35) aber fast täglich, oft mehrfach treffen muss. Sie zählt zum Team der Autobahnmeisterei Gelsenkirchen, ist ausgebildete Straßenwärterin und muss auf Autobahnen und Bundesstraßen arbeiten – auch wenn es voll ist und die Autofahrer wegen des arbeitsbedingten Staus genervt sind.

2,9 Sekunden hat sie gerade beim Test-Aussteigen aus ihrem LKW gebraucht. Das ist verdammt schnell. „Aber sie ist gesprungen und das wollen wir eigentlich nicht. Der Sturzgefahr wegen“, sagt Sebastian Rabe, Verkehrspsychologe. Der ehemalige Mitarbeiter der Unfallkasse arbeitet heute für Straßen.NRW und hat in deren Auftrag einen Trainingsparcours für Straßenwärter entworfen.

Straßenwärter trainieren damit ihre Aufmerksamkeit im allgegenwärtigen Verkehr bei ihrer Arbeit. Es geht ums Einschätzen von Geschwindigkeiten – ein LKW, der nur 80 km/h fährt, legt in zehn Sekunden 222 Meter zurück: das ist mehr, als man meint.

Beschimpfungen von Autofahrern

Es geht bei dem Training aber auch um die richtige Einstellung für den Fahrersitz im Arbeits-Lkw, damit der Rücken geschützt ist. Klingt banal? „Ist es aber nicht. Es gibt regelmäßig Auffahrunfälle. Mir ist einmal ein Pkw ungebremst aufgefahren, der hat den Anhänger, den Lkw in dem ich saß und einen Hänger vor mir zusammengeschoben. Dass ich nicht ernsthaft verletzt wurde, habe ich nur meinem gut trainierten Nacken zu verdanken“, erklärt Oliver Dietrich, der (u.a.) seinen Nacken privat beim Football stählt.

 Sebastian Rabe ist Verkehrspsychologe und hat den Test entwickelt.
Sebastian Rabe ist Verkehrspsychologe und hat den Test entwickelt. © WAZ FotoPool | WAZ FotoPool

Sicher die Leitplanke überklettern, die Aufmerksamkeit für den Verkehr trotz konzentrierter Arbeit etwa bei Reparaturarbeiten an der Fahrbahn bewahren, sicher die Fahrbahn überqueren, den natürlichen Fluchtreflex wegen der hohen Geräuschbelastung, der ständig unterdrückt werden muss, trotzdem nicht ganz aufzugeben – all das wird bei diesem Training als lebenserhaltende Maßnahme geübt.

„Das sind Gefahren, denen die Mitarbeiter täglich ausgesetzt sind. Und es geht täglich gut, immer wieder. Sich ständig bewusst zu machen, dass es jederzeit auch einmal nicht gut gehen kann, welches das sicherste Verhalten ist, welche Tricks es gibt – das muss man sich immer wieder vor Augen führen. Auch im Erfahrungsaustausch,“ erklärt Sebastian Rabe.




Nachts noch größere Gefahr

Was Straßenwärter auch trainieren müssen, ist ein dickes Fell. Autofahrer sind nämlich nicht immer nett und rücksichtsvoll. Lkw-Fahrer, die beim Fahren schon mal ein kleines bisschen nach links ziehen, Pkw-Fahrer, die im Stau aus dem Auto mit Flaschen auf die Arbeitenden werfen und rufen „Warum arbeitet ihr nicht nachts?“ sind zum Beispiel leider keine Ausnahme.

Dabei wäre gerade nachts die Gefahr für die Straßenwärter, nicht gesehen zu werden, noch größer. Abgesehen davon, dass sie im Winter sogar sehr oft „ran“ müssen, auf Zuruf. Sie sind es schließlich, die bei Bedarf nachts Autobahnen streuen – zusätzlich zum Tagdienst.