Essen. .

Mit Bewährungsstrafen reagierte die III. Essener Jugendstrafkammer auf die brutale Attacke einer Gerüstbaukolonne gegen ihren Chef im Eon-Kraftwerk in Gelsenkirchen-Scholven. Staatsanwältin Elke Hinterberg hatte den Großteil der vier Angeklagten dagegen im Gefängnis sehen wollen.

Dreieinhalb Jahre liegt die Tat zurück. Die vier Angeklagten, eine Art Familienbetrieb, waren bei einem Gerüstbauer beschäftigt, der im April 2010 auf dem Gelände des Kraftwerkes gearbeitet hatte. Als einer der Arbeiter, 28 Jahre alt, wegen seines Geburtstages an einem Samstag nicht zur Arbeit kam, kündigte der Bauleiter ihm.

Das ließen sie sich nicht gefallen. Am frühen Morgen des 15. April 2010 rückten sie mit vier Männern an: Vater Rade D. (52) mit drei seiner 22 bis 31 Jahre alten Söhnen, darunter auch dem Gekündigten. Mit zwei Baseballschlägern schlugen sie auf den Chef ein. Das Nasenbein brachen sie ihm, drei Schneidezähne verlor er.

Zunächst als versuchter Totschlag eingestuft

Als versuchten Totschlag hatte Staatsanwältin Hinterberg die Attacke angeklagt. Denn erst als das Opfer sich totgestellt habe, hätten sie von ihm abgelassen. Von dieser Wertung rückte sie in ihrem Plädoyer ab. Laut Zeugenaussagen sei das Opfer nach der Tat noch über den Platz gelaufen. Weil die Angeklagten ihr Werk nicht fortsetzten, seien sie vom Tötungsvorsatz freiwillig zurückgetreten. So hätten sich alle nur wegen gefährlicher Körperverletzung zu verantworten.

Das sah die Strafkammer im Urteil ebenso. Aber damit hörten die Gemeinsamkeiten schon auf. Die Staatsanwältin forderte harte Strafen: „Sie haben gezeigt, wie brutal sie Selbstjustiz durchsetzen.“ Zwischen drei und vier Jahre Haft beantragte sie, lediglich für den Jüngsten hielt sie eine Jugendstrafe mit Bewährung für ausreichend. Rechtsanwältin Nada Sleimann, die das Opfer vertrat, stufte die Tat weiterhin als versuchten Totschlag ein. Die Verteidiger forderten Bewährung.

Dem folgte das Gericht. Die Bewährungsstrafen sollten die Tat nicht bagatellisieren. Richter Günter Busold: „Schlimm genug war diese brutale Attacke ja.“ Die Kammer wertete aber das Geständnis stärker strafmildernd als die Staatsanwältin. Busold: „Ohne das Geständnis wäre es schwer geworden, den Angeklagten die Tat nachzuweisen.“ Dass das Quartett nach eigenen Angaben betrunken war und die Angeklagten 9000 Euro an das Opfer zahlen, wirkte sich strafmildernd aus. Der letzte Milderungsgrund ist hausgemacht: die lange Verfahrensdauer. Zwei Jahre lag die Akte mit der Anklage beim Gericht, bevor der Prozess begann. „Wegen Überlastung der Kammer, konnten wir nicht eher verhandeln“, sagte Busold.