Gelsenkirchen.

Krawatte, Hemdbluse und rothaariger Bubikopf, dazu noch diese freche Berliner Kodderschnauze: Nein, Chansonette Claire Waldoff entsprach so gar nicht dem NS-Frauenideal, wie sie da auf der Bühne stand, rauchend und fluchend wie ein Mann. Dem zeitweisen Auftrittsverbot musste sie sich trotzdem beugen – diese gebürtige Gelsenkirchenerin, die im Mittelpunkt von Folge 13 der Serie „StadtGEschichte ganz persönlich“ von WAZ und Institut für Stadtgeschichte (ISG) steht.

Ärztin wollte die 1884 geborene Clara Wortmann eigentlich werden, berichtet ISG-Leiter Prof. Dr. Stefan Goch. Für das elfte von 16 Kindern einer Bergarbeiter- und späteren Gastwirtsfamilie waren Abitur und Studium aber offenbar finanziell nicht zu stemmen.

Sprung in die Hauptstadt

Also ganz etwas anderes: Die junge Frau versuchte sich unter dem Künstlernamen Claire Waldoff als Schauspielerin. Nach ersten Engagements in Bad Pyrmont und Kattowitz gelang ihr 1906 der Sprung in die Hauptstadt.

„In Berlin machte sie in den Kabaretts der aufkommenden kommerzialisierten Populärkultur rasch Furore mit ihrer charakteristischen Stimme und den eingängigen Liedern im Berliner Dialekt, den sie sich rasch aneignete“, so Goch.

Szenen aus dem Alltagsleben waren es, die die Waldoff in in volkstümlichen, eingängigen Liedern mit Ohrwurm-Charakter besang – eben frühe Schlager. Mit Stücken wie „Nach meine Beene is ja janz Berlin verrückt“ (1911), „Hermann heeßta“ (1913) oder „Ausgerechnet Bananen“ (1924), die aus der Feder renommierter Musiker und Autoren stammten, avancierte sie in den „Goldenen 20-ern“ zum Star in Berlins bekannten Kabaretts und Variétes.

Dass sie die Liebe zu ihrer Lebensgefährtin Olga von Roeder offen(siv) lebte – „Wir hatten beide das große Los aneinander gezogen“, sollte sie später in ihren Memoiren zurückblicken –, war den aufkommenden NS-Machthabern genauso ein Dorn im Auge wie ihr Engagement für den Erhalt der Demokratie Anfang der 1930-er Jahre. Und dann dichtete der Volksmund auch noch ihre Lieder um zum Spott auf so prominente Nazis wie Hermann Göring. Das war zu viel: Nach der Übergabe der Macht an die Nazis erhielt Claire Waldoff vorübergehend Berufsverbot.

Aus der Öffentlichkeit verdrängt

„Obwohl sie bald wieder auftreten konnte, wurde ihre Arbeit immer weiter behindert. Sie wurde mehr und mehr aus der Öffentlichkeit verdrängt“, sagt Goch.

Nach Kriegsbeginn beteiligte sich Claire Waldoff trotz ihrer NS-kritischen Haltung an Radio-Wunschkonzerten der Wehrmacht, trat auch im besetzten Paris auf. „Nach 1945 konnte sie aber nicht mehr an ihre Karriere der 1920-er anknüpfen“, so Goch. Ihre große Zeit, sie war vorbei.

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