Gelsenkirchen.

Die 22-jährige Vera Thamm ist von Geburt an körperbehindert. Ihr fehlen ein Bein und beide Arme. Sie hat lediglich kurze Stümpfe. Im Klinikum Bergmannsheil absolviert die Studentin ihr 15-wöchiges Praxissemester. Parallel bereitet sie sich auf die Schwimm-WM in Montreal/Kanada vom 12. bis 18. August vor, für die sie vom Deutschen Behindertensportverbandes nominiert ist.

Im Ernährungszentrum Berger See, eine Abteilung der Kinderklinik und des Bergmannsheil, unterscheidet sich der Arbeitsalltag der Ökotrophologie-Studentin nicht von dem anderer Studenten im Praxissemester. Sie geht mit auf die Stationen, nimmt an den Beratungsgesprächen und Kursen für ernährungsabhängige Krankheiten teil, optimiert Rezepte für ein Kochbuch, das das Ernährungszentrum veröffentlichen wird, wirbt um Teilnehmer für Ernährungsberatungskurse „und ist total fit am PC“ rundet Jutta Großmann, Leiterin des Zentrums, die Auflistung ab. „Wir haben ein Abkommen, dass sie uns sagt, wenn sie körperlich irgendetwas nicht leisten kann.“

"Körperbehinderung war nicht wichtig für uns"

Ihre Körperbehinderung wurde in der Bewerbung zwar „zur Kenntnis genommen, aber sie war nicht wichtig für uns“. Begeistert hat die beiden Frauen im Ernährungszentrum weit mehr das sportliche Engagement der jungen Frau, ihre Kämpfernatur, ihre Teamfähigkeit. „Da hat man gemerkt, dass sie Sportlerin ist“, sagt Großmann.

In der Beratung mit ADHS-Kindern sei das besonders aufgefallen. Großmann: „Die wurden zusehends ruhiger und blickten sie voller Bewunderung an nach dem Motto ‘Wenn die mit ihrem leben fertig wird, kann ich das auch’.“

Vera Thamm schreibt bald ihre Bachelor-Arbeit

Die 22-Jährige ist zur Regelschule gegangen, hat ihr Abitur gemacht, und schreibt bald ihre Bachelor-Arbeit – in der Tagesklinik des Bergmannsheil. Sie fährt Fahrrad und fährt jeden Tag alleine mit dem Auto nach Gelsenkirchen.

Berührungsängste in der Klinik gibt es nicht. „Manchmal haben Patienten skeptisch geguckt, aber das bin ich gewohnt“, sagt Thamm. An ihrem Berufsziel, nach dem Studium als Ökotrophologin zu arbeiten, hat das nichts geändert. Im Gegenteil. „Das Praxissemester ist eher eine Bestätigung für mich, dass ich den richtigen Beruf gewählt habe.“ Zudem sei das Ernährungszentrum im Bergmannsheil ein echter Glücksgriff. „Das Team unterstützt mich sehr, in dem es mir die Möglichkeit einräumt, meine Arbeitszeit an meine Trainingszeiten anzupassen, ich sogar mein Praxissemester unterbrechen darf, um an Wettkämpfen und Trainingslagern teilzunehmen.“

Die Zielsetzung für Montreal ist bescheiden

Die Studentin ist die einzige deutsche Schwimmerin, die in Montreal jeden Tag an den Start geht. Ihre Zielsetzung ist bescheiden: „Mein Ziel ist, über 50m Brust möglichst weit nach vorne zu schwimmen.“