Gelsenkirchen. Im Fall der Veruntreuung auf den Wertstoffhöfen der Gelsendienste haben sich neue Vorwürfe ergeben. Wie sich inzwischen herausstellte, wurden neue, “nicht gefügige“ Kollegen erpresst, um sie zum Stillschweigen zu zwingen.
Nach der Sitzung des Betriebsausschusses Gelsendienste Anfang Dezember ist es ruhig geworden um die skandalösen Vorgänge auf den Wertstoffhöfen des kommunalen Dienstleisters. Vordergründig. Hinter den Kulissen waren Betriebsleitung und städtischer Verwaltungsvorstand als Aufklärer aktiv. Erste Hinweise auf „erhebliche Unregelmäßigkeiten“ tauchten in einem Gespräch am 14. September auf.
Die dabei erhobenen Vorwürfe wurden wenig später schriftlich fixiert – und lieferten die Grundlage zu intensiven Recherchen.
Nötigung und Erpressung
„Die Befragungen haben deutlich ergeben, dass über Jahre ein System latenter Unterdrucksetzung, Nötigung und konkreter Androhung von Repressalien aufrecht erhalten wurde, um nicht gefügige, neu hinzu kommende Beschäftigte in das System zu ziehen“, heißt es in einem internen Protokoll, dass der WAZ-Redaktion vorliegt.
Die Liste der Vorwürfe hat es in sich: Organisiertes Vorenthalten von Einnahmen – für das Jahr 2011 geht Gelsendienste von einer Summe zwischen 30 und 35.000 Euro aus –, Rabattierung von Abfallanlieferungen, Wertstoffdiebstahl, Manipulation bei der Stundenerfassung sowie die Annahme unzulässiger Abfälle. Hinzu kommen unzulässige maschinelle Reinigung von Privatgrundstücken oder ebenfalls verbotene Transporte von Containern.
Erste Konsequenzen aus den nahezu mafiös strukturierten Vorgängen, die ihren Anfang bereits 2001 nahmen: Zwölf Kündigungen und eine ganze Reihe von Maßnahmen, um derart kriminelle Energien künftig gar nicht erst gedeihen zu lassen. Aus dem Katalog der Maßnahmen bereits umgesetzt sind die Einführung von Registrierkassen für die Wertstoffhöfe, ein internes Kontrollsystem, wöchentliches Kassencontrolling, Personalrotation zwischen Arbeitsbereichen sowie die Vorgabe problemorientierter Arbeitsabläufe.
Angebliche Trinkgelder
Hinweisschilder, etwa auf Trinkgeldverbot oder Bon-Pflicht, werden ebenfalls aufgestellt. Aus gutem Grund: Das Geld von Kunden, die in den vergangenen zehn Jahren keinen Beleg gefordert hatten, teilten die Gelsendienste-Mitarbeiter unter sich auf. Neuen Kollegen wurden kleinere Beträge – angeblich Trinkgelder – zugesteckt, um sie später zu einer „Vertraulichkeitserklärung“ zu erpressen und sie ins Boot zu holen.
Am 29. November 2012 informierte OB Frank Baranowski den Rat über den begründeten Verdacht von Unterschlagungen.
Wirtschaftlicher Gesamtschaden nicht mehr zu ermitteln
Der wirtschaftliche Schaden, den die Wertstoffhof-Bande angerichtet hat, lässt sich nicht mehr rekonstruieren. „Der Vorgang liegt jetzt bei der Essener Staatsanwaltschaft“, sagt Oberbürgermeister Baranowski. Und: „Das, was wir aus unserer Sicht tun mussten, haben wir getan.“
Dazu hatte auch gehört, die Polizei einzuschalten. Was in einem Gespräch am 24. September geschehen ist. In dem internen Schreiben heißt es: „Bei Nachfrage in der 45. KW erfuhr die Betriebsleitung, dass aus polizeiinternen Gründen die Ermittlungen bis dahin nicht fortgeführt werden konnten.“ Also wurde Gelsendienste selbst aktiv und hat am 9. November mit der Befragung der beschuldigten Mitarbeiter begonnen und sowohl Polizei als auch Staatsanwaltschaft immer wieder auf dem Laufenden gehalten bzw. der Polizei Protokolle zur Verfügung gestellt. Aktuell kämpft Gelsendienste mit einer gravierenden Folge der Kündigungen: Die zwölf Stellen sind noch nicht besetzt. Bis April herrscht wohl noch Unterbesetzung.