Gelsenkrichen. Nach der Insolvenz der Drogeriekette Schlecker und daraus folgenden Schließung der Filialen verloren rund 70 Fachkräfte ihren Job. Viele haben Probleme eine neue Stelle zu finden - sie kämpfen mit zahlreichen Absagen auf ihre Bewerbungen.

Ende Juni verloren gut 70 Fachkräfte in den Schleckerfilialen ihren Job. Viele haben seit Jahrzehnten in der Drogeriemarkte gearbeitet. Nach der Insolvenz drücken viele wieder die Schulbank, büffeln kaufmännisches Rechnen, machen sich mit der Bewerbungs-Philosophie vertraut. In der TZU-Akademie an der Weberstraße sitzen sie tagtäglich zwischen 8 und 15 Uhr vor den Bildschirmen, bewerben sich online, hoffen auf Zusagen.

Ernüchternde Bilanz

„Fit für den Verkauf“ nennt sich die Maßnahme, in der ausschließlich erfahrene Verkäuferinnen sitzen. Die Bilanz ist ernüchternd. Petra Petters ist 56, hat 35 Jahre bei Schlecker gearbeitet: „Wir sind zu alt, unsere Qualifikation zählt nicht. Ich bin nicht mal zum Vorstellungsgespräch eingeladen worden. Obwohl erfahrene Mitarbeiter gesucht werden, haben wir keine Chance. Ich frage mich, warum ich so abgeschmiert werde. Mitarbeiterinnen bei Aldi sagten mir, dass sie nur Frauen bis 35 einstellen.“

Iwona Zoladz hat 25 Jahre Berufserfahrung. Bei 70 Bewerbungen war die Antwort immer gleich. Kein Bedarf. „Doch ausgeschriebene Stellen“, erinnert sich die 44-Jährige, „waren lange nach meiner Bewerbung immer noch offen.“ 7,50 Euro Stundenlohn hatte ihr Mc Donald’s angeboten. „Für eine Tätigkeit als Fachkraft ist das Angebot unverschämt. Ich würde viel zu wenig für meine spätere Rente einzahlen.“ Iwona Zoladz ärgert sich darüber, dass ihre Beraterin in der Arbeitsagentur sie gedrängt habe, die Stelle anzunehmen. Das sei besser für spätere Bewerbungen.

Liliane Oppenkowski, die 20 Jahre bei Schlecker tätig war, hat den Eindruck, dass man Schlecker-Frauen bei den Konkurrenten nicht gerne sieht. „Komischerweise tauchen die Stellen, auf die ich mich beworben habe, immer wieder auf. Ich bin erst 42, will zeigen, was ich gelernt habe und was ich kann.“ Einen selbst entworfenen Flyer, in dem neben den Personalien auch ihre beruflichen Qualifikationen stehen, hat sie immer in der Handtasche, verteilt ihn in Geschäften.

Psychische Probleme

Auch Ingrid Herrmann kennt nur Absagen. Die 57-Jährige ist verzweifelt, ihr fehlt die Arbeit, der tägliche Umgang mit den Kunden: „Mir ist in den ersten Wochen die Decke auf den Kopf gefallen. Es tut weh, feststellen zu müssen, dass uns niemand mehr will.“

Wie motiviert die Frauen sind, stellt Dozent Timm Stenderhoff täglich fest. „Die Arbeitsmoral ist enorm, jeder will weiter kommen.“ Viele sitzen zum ersten Mal vor dem PC, lernen viel über Form, Aufbau und Formulierung von online-Bewerbungen kennen.

Die vier Frauen denken nach den deprimierenden Bewerbungsergebnissen darüber nach, ob sie den Schritt in die Selbstständigkeit wagen sollen. Petra Petters hat Kontakt zum Vermieter der ehemaligen Schlecker-Filiale an der Schalker Straße aufgenommen. „Er sucht dringend einen Nachfolger, will in das Ladenlokal investieren und gleichzeitig modernisieren. Die Frauen sind sehr Interessiert, doch können sie das Risiko noch nicht endgültig abschätzen. Sie wollen Gespräche mit dem Vermieter, der Agentur für Arbeit und der IHK führen, ob es ein wirtschaftlich schlüssiges Modell geben könnte.

„Vielleicht,“ so hofft Petra Petters, „gibt es ja Zuschüsse für ein Geschäftsmodell mit überschaubaren Risiken.“ Der Bedarf in Schalke, das ist sie sicher, sei vorhanden. Und arbeitslos zu bleiben, das wollen und können sich alle vier nicht vorstellen: „Es ist grausam, nicht gebraucht zu werden.“