Gelsenkirchen. Das in den Jahren 1920 und ‘21 nach den Plänen des Architekten Alfred Fischer gebaute Volkshaus in Rotthausen ist verzogen. Eine Grundsanierung ist vor dem Hintergrund der städtischen Haushaltslage nicht drin, aber es wird funktionstüchtig ge- und erhalten.

„Für Vereine ist das eine schöne Sache. Vor allen Dingen: Sie bleiben im Stadtteil“: Bernd Lemanski steht vor dem Volkshaus Rotthausen.

Der SPD-Bezirksbürgermeister für den Süd-Bezirk ist hin- und her gerissen zwischen lobenden Worten für die großartigen Möglichkeiten, die der stattliche Klotz im expressionistischen Backstein-Ambiente bietet, und auf der anderen Seite dem Sanierungsbedarf, der förmlich aus jedem Winkel des Hauses schreit. Immerhin: Wegen der Haushaltslage werde das Haus funktionstüchtig gehalten. Mehr sei einfach nicht drin – auch wenn das sehr schade sei.

Lemanskis Parteifreund Ernst Majewski, in seiner Eigenschaft als Partei- und Gewerkschaftsmann quasi Stammgast am Grünen Weg 3, denkt zum Mithören: „Es müssten schon zehn Millionen in die Hand genommen werden ...“ Mit anderen Worten: utopisch, an dem seit 1986 unter Denkmalschutz stehenden Gebäude das zu tun, was vom Umfang der Schäden her eigentlich notwendig ist.

Senkung wird gemessen

Abgesehen von der alten Heizungsanlage und den sanitären Anlagen im Kellergewölbe – die Toiletten an sich sind schon denkmalwürdig – abgesehen vom einst wunderbaren Parkettboden und den sakralen Holztüren- und Verkleidungen, abgesehen vom technischen Bedarf: Das Volkshaus steht schief, die Seitentrakte „kippen“, Treppenaufgänge sind an einigen Stellen eine Herausforderung ans gesundes Gleichgewichtsgefühl, vieles ist verzogen. Bergschäden? „Nicht nur“, sagen Lemanski und Majewski. Der sandige Untergrund tue das seine. „An den Markierungspunkten, die überall am Haus befestigt wurden, kann man erkennen, dass das Gebäude Jahr für Jahr leicht absinkt“, so Lemanski.

Türbogen wurde bereits saniert

Bis zum 31. Dezember ist die Stadtmarketing-Gesellschaft (SMG) noch zuständig, dann geht das Volkshaus ins Gebäudemanagement der Stadt über. „Der Türbogen ist schon mal saniert worden, weil er Einsturz gefährdet war“, erzählt Anneliese Grittner, im 17. Jahr Hausmeisterin und „Seele von’t Ganze“.

Kein Geringerer als der 1881 in Stuttgart geborene Architekt Alfred Fischer hat übrigens die Pläne für das Volkshaus entworfen – fünf Jahre, bevor er mit dem Hans-Sachs-Haus seine architektonische Marke in der Gelsenkirchener Innenstadt gesetzt hat.

Bewegte Geschichte 

1920 für die damals selbstständige Bürgermeisterei Rotthausen im Landkreis Essen als Jugendhaus gebaut, wurde aus dem Backstein-Koloss ein Kultur- und Bürgerhaus; anschließend wurde der Zweckbau als Jugendherberge genutzt.

Während der Nazi-Zeit wurde das heutige Volkshaus dann als SS-Führerschule – man möchte fast sagen: missbraucht. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges zog das DRK ein, später die Polizeiwache und danach Berglehrlinge der Zeche Dahlbusch. Die bewegte Geschichte setzte sich fort mit der Einkehr von von Vereinen (u.a. Heimatbund, Schützen), Verbänden, Kulturgruppen. Auch private Veranstalter schätzten und schätzen die großzügigen Räumlichkeiten. Die Gafög hat den rechten Seitenflügel angemietet. Hier ist zweimal wöchentlich die Schuldnerberatung geöffnet, im Saal macht’s regelmäßig „pingpong“, wenn der TTC an den Platten sportelt.

Bands proben im Kellergewölbe

Lang ist die Liste der Nutzer, wenngleich Lemanski und Majewski einschränken, dass mancher Verein schon ein neues Domizil gefunden habe. Noch drin sind zwei Bands, die das Kellergewölbe nutzen. Gleich hinter der alten Zelle, von der man sich nicht wünscht, hinter der Tür zu sitzen …

In der Küche teilen sich die Pfeiler, viele Fenster im ganzen Haus sind wegen der Senkungen verzogen, den Eingangsstufen sieht man die Spuren der „Flickschusterei“ an. Bernd Lemanski konstatiert: „Wer hier am meisten arbeitet, ist das Haus.“ Man spürt die Folgen unter den Füßen ...