Gelsenkirchen.
Es gibt Menschen, die sammeln Tiere wie seltene Briefmarken, behandeln sie aber nicht so. Wenn Amtstierarzt Dr. Norbert Schulze-Schleithoff aus seiner täglichen Arbeit berichtet, offenbart sich das Leiden, das Herrchen oder Frauchen ihren Lieblingen zufügen. Täglich melden sich im Referat Veterinär- und Lebensmittelüberwachung Bürger, die sich über Nachbarn beklagen, die den Tierschutz mit Füßen treten.
Intensiver Gestank, abgemagerte oder verwahrloste Tiere lassen Tierschützer zum Hörer greifen. Wenn die Mitarbeiter des Amtes die Wohnung kontrollieren, stehen sie mitunter einem Müllberg gegenüber. Ein penetranter Uringeruch steigt in die Nase, Kot ist in den Zimmern und mitunter auch am Bett des Hundebesitzers verteilt. „Die Menschen sind oft nicht in der Lage, den Tieren wie auch sich selbst zu helfen“, so die Erfahrung des Veterinärmediziners.
Retter übersehen die Leiden
Die Sammler sehen die Tierhaltung als Lebensaufgabe. Die Mitarbeiter des Amtes haben in Wohnungen schon bis zu 30 Katzen und ein halbes Dutzend Hunde vorgefunden. Sie kommen dann ins Tierheim. Sozialarbeiter müssen dann die Menschen betreuen, die längst kein soziales Leben mehr geführt haben.
Der Veterinär, der seit 1992 Erfahrungen in Gelsenkirchen sammelt, charakterisiert vier Typen von überforderten Hunde- oder Katzenhaltern. Beim Pflegertyp, der häufig sozial isoliert sei, habe das Tier einen hohen Stellenwert. Er will es pflegen und schützen. Die Übersicht geht dabei schnell verloren. Wolfgang Schlüter, Leiter des Gelsenkirchener Tierheims, rät Tierfreunden, sich vorher zu informieren, welches Tier zur Familie passt und man sich ausreichend mit ihm beschäftigen kann.
Der Rettertyp ist von seiner Mission und Berufung überzeugt, das Tier vor Elend zu bewahren. Dr. Schulze Schleithoff: „Der Halter, der häufig seinen Partner verloren hat, überträgt seine Todesangst aufs Tier.“ Drei Viertel der vermeintlichen Retter sind Frauen über 50. Sie übersehen, dass die Tiere leiden und ihnen Schmerzen zugeführt werden.
Beschwerden nehmen zu
Aus rein egoistischen Motiven lebt der Ausbeutertyp inmitten einer Tierwelt in seinen Zimmern. Vieles spricht dafür, dass diese Hundehalter weiter zunehmen werden. Dubiose Geschäftsleute kaufen Welpen aus Osteuropäischen Ländern für 50 Euro ein, werben hier Familien zum Weiterverkauf an. In Gelsenkirchen werden dann Preise zwischen 600 und 1000 Euro erzielt. „Wenn wir die Wiederverkäufer ermitteln, so der Amtsveterinär, „sagen sie uns, dass sie die Hunde verschenken wollen.“ Die Händler aus dem Ostblock bleiben meistens anonym. Die Beschwerden der neuen Tierbesitzer nehmen entsprechend zu. Denn häufig erkranken die Tiere, die meistens nicht geimpft sind.
Auch viele Züchter haben mitunter die Kontrolle verloren. Bei einem Mann tummelten sich auf engem Raum einige hundert Meerschweinchen. Die Arbeit für die städtischen Mitarbeiter wird weiter zunehmen. Mehr und mehr müssen sie auch exotische Tiere wie Kaimane oder Schlangen beschlagnahmen und nach geeigneten Unterkünften suchen.