Streifenweise Kunst: mal als gigantische Farbexplosion in knalligem Gelb, Orange und Grün, mal in düster verhangenen Nachtfarben. Auf den ersten Blick scheinen die abstrakten Farbwelten von Rolf-Gunter Dienst eine glasklare Sache. Wer aber ab Sonntag, 29. April, im Kunstmuseum Gelsenkirchen näher an die Werke herantritt, dem eröffnen sich ganz neue Welten.
Dann entpuppen sich die nur scheinbar sterilen Farbstreifen als Gemälde im Gemälde. Der Künstler hat die Farbflächen reich übersät mit skripturalen Elementen, mit filigranen Zeichen und Formen.
Der 1942 in Kiel geborene Künstler, der heute in Berlin und im Elsass lebt und arbeitet, zeigt im Gelsenkirchener Kunstmuseum 90 Gemälde, Zeichnungen und Aquarelle, darunter 60 teils monumentale, raumfüllende Malereien. Es sind Arbeiten aus dem Zeitraum von 1999 bis heute. Die Schau war zuvor in etwas erweiterter Form im Kunstmuseum Bayreuth zu sehen. Teil der Kooperation der beiden Museen ist auch ein gemeinsamer Katalog.
Wie ein Komponist
In ihrer klaren Schlichtheit, ihrer intensiven Farbigkeit und eleganten Schwärze üben die Arbeiten eine magische Sogkraft auf den Betrachter aus. Der Maler setzt die unterschiedlichen Linien in Acryl wie ein Komponist auf die Leinwand: „Zusammen ergeben die dann einen ganz bestimmten Klang.“
Für den passenden Rhythmus sorgen die winzigen Zeichen und schwungvoll gesetzten Formen auf den Flächen. Die Zeichen und Chiffren haben vor allem die Funktion, die Farben zu differenzieren. Dienst: „Durch die Zeichen entsteht Bewegung in der Fläche, die plötzlich räumlich erscheint.“ Und genau darauf kommt es diesem Künstler an: auf Bewegung, auf Farbklang und auf die Visualisierung von Zeitabläufen.
Der Betrachter braucht Zeit für diese Arbeiten
Apropos Zeit, dazu sagt der Künstler: „Der Betrachter braucht Zeit für diese Arbeiten. Wenn man sich die nicht nehmen will, kann man auch gleich weggucken.“ Also gilt für den Museumsbesucher: Eintauchen in diese Farb- und Formenwelten, und dabei immer mal den Standort wechseln. Von weitem erinnern die Werke an klassisch geometrisch-konkrete Kunst, aus der Nähe an expressive, gestische Malerei.
Dass Rolf-Gunter Dienst Reiseerlebnisse oder Literatur als Stimulanz, als Folie für seine Ideen nutzt, ist teils an den Titeln abzulesen. Eine ganze Serie überbordend farbiger Gemälde trägt den Namen „Maconda“. Das ist ein Ort, der immer wieder in den Werken von Gabriel García Márquez auftaucht. Allein die Sprache empfand der Künstler so exotisch, dass er dachte: „Die muss ich malen.“
Signatur wäre Störfaktor
Rund 30 Zeichnungen dokumentieren eine andere Handschrift. Hier dominieren winzige, unruhige und dichten Zeichengeflechte, die über die ganze Fläche wachsen.
Eine Signatur übrigens sucht der Betrachter auf diesen Arbeiten vergebens. Dienst: „Auch eine Unterschrift ist ein visuelles Element, und das würde stören.“ Signiert sind die Arbeiten dennoch: auf der Rückseite.
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