Gelsenkirchen.
Man fühlt sich wie im Nachtprogramm eines Shopping-Senders: Das gesamte Amphitheater erstrahlt im leuchtenden Rot eines namhaften Cola-Herstellers. Zur PR-Kampagne gibt’s Musik – die Band Good Charlotte spielt. Und das ohne Eintritt.
Jedes einzelne Hinweisschild ist mit dem zugehörigen Logo gespickt und selbst die Gerstenkaltschale – sonst uneingeschränkter Herrscher über die Getränkekarte – ist hinter Soft- und Energydrinks auf den letzten Rang abgerutscht. An jeder Ecke propagieren überdimensionale aufblasbare Sodaflaschen das süße Gesöff.
Braune Brause überall
Blick auf die Bühne – und siehe da: Alles strotzt nur so vor Rot und stilisierten Flaschen und Kronkorken. Auch auf den Videoleinwänden flackern zur Pausenmusik aus entspannten Beats (zu Neudeutsch heißt es wohl „chillig“, wobei das nichts mit dem mexikanischen Bohneneintopf zu tun hat) psychedelische animierte Clips rund um die braune Brause. Alles flüstert, nein: schreit „Kauf mich!“, um es mit den Toten Hosen zu sagen.
Immerhin: Der Hauptsponsor und Veranstalter hat sich nicht lumpen lassen und die Eintrittskarten umsonst über die hauseigene Homepage umsonst verbimmelt. Die Registrierung inklusive Angabe der Kontaktdaten für die obligate Zusendung weitere Produktpropaganda genügte. Immerhin geschätzte 1000 meist junge Mädchen waren dem Aufruf gefolgt und trotzten eisern den vom Himmel herabstürzenden Regenfällen.
Warum eigentlich? Ach ja! Musik wurde ja auch noch verabreicht. Als erstes war es um kurz vor 21 Uhr an den britischen Nachwuchsrockern One Night Only, für Stimmung im durchnässten Rund zu sorgen. Das Quintett bot zielgruppengerechten Indie-Pop, engagiert und durchaus mitreißend dargeboten und ein paar echte (potenzielle) Hits hatten die Jungs auch im Gepäck. Auf jeden Fall ging die gute halbe Stunde Set gefühlt deutlich schneller vorbei als nur fünf Minuten Wartezeit bei der oben genannten Produkt-Penetration.
Große Posen und Animation en masse
Eine halbe Stunde Werbung später machen sich dann Good Charlotte ans Werk. Ganz US-Rockstars, haut man mächtig auf die Sahne und fährt in der Motorjacht zunächst mehrfach hinter der Bühne auf und ab (damit es auch jeder mitbekommt) und schließlich vor. Kurzes Einzählen und ab die Post – die Punkrockmaschine läuft auf Hochtouren.
Vom ersten Ton an machen die Madden-Zwillinge (die übrigens auch mal parallel mit den Party-Mädchen und hauptberuflichen Töchtern Paris Hilton und Nicole Richie liiert waren und zu 50% auch noch sind) mächtig Alarm: Tätowierte Unterarme hauen kräftig in die Saiten, dazu gibt’s große Posen und Animation en masse.
Wobei der Fünfer eigentlich gar nicht viel tun müsste. Die Fans fressen Good Charlotte ohnehin aus der Hand. Die Songs werden durch die Bank weg mitgesungen und damit auch ordentlich geklatscht wird, bedarf es maximal eines kurzen Fingerzeigs.
Natürlich gibt es alle Hits vom aktuellen Album „Cardiology“ und alte Schmankerl („I Just Wanna Live“), nach ziemlich genau einer Stunde ist mit „Lifestyle Of The Rich And The Famous“ dann aber endgültig Schluss. Ein bisschen mager für einen Headliner, aber da kommt dann wieder der geschenkte Gaul ins Spiel.
Die Fans trotten durch den Regen gen Bushaltestelle, das rote Bühnenlicht wird gedämmt. Nur auf dem Dach der Kanalbühne leuchtet noch das projizierte Logo des Softdrinkfarbikanten. Willkommen in der Dauerwerbesendung.