Gelsenkirchen. . Nach 120 Jahren ist Schluss: Die katholische Grundschule an der Erdbrüggenstraße schließt. Kinder, Eltern und Lehrer feierten Sonntag ein Abschiedsfest mit dem Leitthema Baum.

Es war ein Abschied voller Trauer, Wehmut, Wut und Aufbruch. Trauer und Wut, weil nach 120 Jahren die Tradition und Wertevermittlung der katholischen Grundschule Erdbrüggenstraße politisch nicht mehr gewollt ist. Aufbruch, weil schulische Bildung und Erziehung nach einer Sanierungs- und Erweiterungsphase dann in einer Offenen Ganztagsschule fortgesetzt wird.

Das Leitthema „Baum“ hatten die Schüler der zwei verbliebenen Klassen als Sinnbild für Stärke, gemeinsames Leben und Zukunft für ihre Gedichte und Lieder gewählt. Aber auch für das Verwachsen- und Verwurzeltsein mit dieser Schule sehen Eltern wie Lehrer die Symbolkraft des Baums. Stärke hatten Eltern und Pädagogen vor allem im Kampf um den Erhalt der Schule gezeigt.

Funktionierende Integration

Ginge es nach dem Elternwillen, der politisch gerne als entscheidendes Kriterium genannt wird, wäre die Schule auch heute noch zweizügig. Schüler aus dem Haverkamp müssen heute per Bus zur katholischen Schule im Emscherbruch gefahren werden, andere besuchen die Don-Bosco-Schule in der Feldmark. Schulleiterin Hildegard Wüstefeld sieht die Schule als beispielhaft für funktionierende Integration. Viele Muslime, die die Schule besuchten und katholische Schüler hätten die Gebetsformen der jeweils Andersgläubigen und vor allem Toleranz gelernt.

Wie sehr die Eltern eingebunden waren ins schulische Leben, zeigte am Sonntag das Bild auf dem Schulhof. Über 200 waren zum Abschied gekommen, darunter ehemalige Lehrer und Schüler. Da wurden Zeugnisse aus alten Zeiten ausgepackt, erinnerten Klassenfotos an der Tafel an den ersten Schultag.

Ayse Sahan (37) drückte hier die Schulbank, hatte zwei Kinder an der Schule. Sie lobt die Ausgeglichenheit und Gemeinschaft an der Schule, das Engagement der Lehrer und Eltern. Auch die türkischen Mütter seien sehr aktiv gewesen. Noch weiter zurück in ihre schulische Vergangenheit blickte Maria Theresia Rötzer. „Sie hat einen guten Anfang gemacht“ schrieb ihr die Lehrerin in ihr erstes Zeugnis. Das war 1940.

Integritäts-Verlust

Maria Rötzer machte ihr Abi am heutigen Ricarda stand schließlich selbst vor Schülern. Wilhelm Hüning (82) war 25 Jahre Rektor an der Schule. Er erinnert sich an eine Besonderheit, als 72 Prozent der Schüler türkischer Herkunft waren. „Wir haben es gemeinsam geschafft. Sie mussten auch in der Pause Deutsch sprechen. Viele haben später auch das Abi geschafft.“

Schüler und Eltern sind sich einig: Mit dem Ende der Schule geht ein Stück Integrität im Stadtteil verloren. Wenigstens die Bäume, so erwarten sie, dürfen dem Umbau nicht zum Opfer fallen. Zumindest eine Pflanze soll auch in den nächsten Jahrzehnten noch an die Schule erinnern: ein Apfelbaum, den Schüler und Lehrer gemeinsam pflanzten.