Gelsenkirchen. .

Die ganze Stadt stand Kopf am Wochenende – und als hätte er es im Vorfeld geahnt, hat Bernd Schindowski, der scheidende Ballettdirektor am Musiktheater im Revier, sein Abschiedswerk "La Ville – Die Stadt" genannt.

Choreografiert war es nach der gleichnamigen Komposition von Pierre Henry. Die Premiere war übrigens extra auf den Freitagabend vorgezogen worden, um einem Autokorso nach dem Pokalfinale nicht im Wege zu stehen.

Nun also nimmt Schindowski Abschied von dieser Stadt, nach 33 Jahren Tätigkeit am MiR. In „La Ville“ lässt er das Leben des Protagonisten (Bogdan Khvoynitskiy) an diesem vorbei ziehen. Beklemmend ist das, weil der Mann im Mittelpunkt gefangen ist, in einem Netz aus Bildern und Geräuschen, die immer intensiver und bedrohlicher werden. Es gibt für ihn keine ruhige Minute, weil ein rastloser roter Teufel (herausragend und ausdauernd in Szene gesetzt von Min-Hung Hsieh) ständig um ihn herumtanzt.

Tanztheater mit Gänsehauteffekt

Wer zuschaut, der muss sich zuerst gewöhnen an diese Unruhe, die sich parallel zu der Tonspur von Pierre Henry kontinuierlich steigert. Da fährt ein ferngesteuertes Feuerwehrauto über die von Johann Jörn betont karg gestaltete Bühne in Yves-Klein-Blau, eine blonde Frau (Alina Köppen) tanzt herein und genau so geräuschlos auch wieder heraus dem Leben des Mannes. Ein Kind erscheint, das ihm zum Verwechseln ähnlich sieht. Und dann das ganze Tanzensemble, das Teile seiner Kleidung trägt und dem Betrachter damit seine ganze Zerrissenheit vor Augen führt (die Kostüme von Andreas Meyer bringen das auf den Punkt).

Nicht einfach ist es, dem Geschehen zu folgen, auch deshalb, weil die Tonspur zu „La Ville“ schon alleine viel Aufmerksamkeit für sich beansprucht. Pierre Henry fing für diese Komposition Geräusche der Großstadt ein und verstrickte sie zu einer bombastischen Klangcollage.

Bernd Schindowski hat das eindrucksvoll umgesetzt in Bilder, sein Ballettstück zeigt, wie beengend das Leben in der Großstadt sein kann. Der Zuschauer bleibt am Ende genau so zerstört zurück wie der junge Mann auf der Bühne. Das ist Tanztheater mit Gänsehauteffekt – und so spannend wie ein Pokalfinale