Gelsenkirchen.

. Das umstrittene Sparpaket der Bundesregierung löst auch in Gelsenkirchen heftige Reaktion aus – von großer Sorge über harsche Kritik bis hin zu der Hoffnung, dass sich Protest gegen die Pläne regt.

Margot Käßmann, ehemalige Ratsvorsitzende der evangelische Kirche, hat am Dienstag zu Widerstand gegen das schwarz-gelbe Sparpaket aufgerufen. Und auch der evangelische Industrie- und Sozialpfarrer Dieter Heisig wünscht sich breite Proteste. Warum? „Dieses Paket ist alles andere als sozial ausgewogen“, sagt er. Den Menschen, denen es sowieso schon schlecht gehe, werde noch mehr genommen.

Den Rotstift will Schwarz-Gelb unter anderem bei den Eingliederungshilfen und -maßnahmen für Hartz-IV-Empfängern ansetzen. Für 2011 kann Reiner Lipka vom Integrationscenter für Arbeit Gelsenkirchen (IAG) allerdings ein Stück weit Entwarnung geben. „Im kommenden Haushaltsjahr werden uns die Einsparungen noch nicht mit der vollen Wucht treffen“, sagt der IAG-Geschäftsführer. Heißt: Rechnet man das Einsparziel von 0,5 Mrd Euro auf Gelsenkirchen runter, müssten im 45-Mio-Etat für die Eingliederungen 2011 „nur“ vier Mio Euro eingespart werden. Das könne man noch abfedern, so Lipka.

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Große Sorgen macht sich der IAG-Chef über die Folgejahre. 2012 solle der Eingliederungsetat nach den Plänen der Bundesregierung um 1,5 Milliarden und 2013 sogar um 2 Milliarden Euro gekürzt werden. „Dann würde es ans Eingemachte gehen“, so Lipka.

Gelsenkirchens Sozial- und Gesundheitsdezernentin Henriette Reker wirft unterdessen der Bundesregierung vor, den Sparzug mal wieder auf den „Verschiebebahnhof“ gestellt zu haben: „Dass keine Rentenbeiträge für Hartz IV-Empfänge gezahlt werden, geht ganz klar zu Lasten der Städte.“ Denn diese müssten dann einspringen, wenn die spätere Rente der betroffenen Langzeitarbeitslosen unter den Regelsatz von 359 Euro sinkt. Und das tut sie um 20 bis 30 Euro je Ausfalljahr. Schon jetzt stockt die Stadt für rund 2500 bedürftige Rentner die Rente auf - mit 10 Mio Euro im Jahr. „Das wird dann auf die Dauer deutlich mehr“, befürchtet Reker. Auch bei Erwerbsunfähigkeitenrenten sieht sie Mehrkosten auf die Stadt zukommen. „Die Armut wird verschärft“, lautet ihre Grundsatzkritik. Und als „zynisch“ bezeichnet Reker verklausulierende Begrifflichkeiten wie „nachjustieren“ oder „effizienter machen“.

„Die Bundesregierung rührt da für die Menschen in unserer Region einen sehr bitteren Cocktail an“, meint der auch für Gelsenkirchen zuständige Emscher-Lippe-DGB-Chef Josef Hülsdünker. Die Streichung der Rentenversicherungsbeiträge verschärfe die Altersarmut. Massive Einbrüche befürchtet er bei der Kaufkraft durch die Einsparungen beim Elterngeld und bei den Langzeitarbeitslosen. Auch die Kürzung bei Mitteln für Arbeitsmarktprogramme wurden die Arbeitslosigkeit im ohnehin belasteten nördlichen Revier erhöhen.

Kommt es möglicherweise gar nicht zu realen Einschnitten bei den Langzeitarbeitslosen? Als „reines Wunschdenken“ und unbegründete Hausnummer“ bezeichnet der Gelsenkirchener SPD-Bundestagsabgeordnete Joachim Poß die Milliardeneinsparungen bei der angeblichen Effizienzverbesserung bei der Arbeitsmarktvermittlung.

Und auch IAG-Chef Reiner Lipka hat hier Zweifel: „Ich weiß nicht, wo die Effiziengewinne herkommen sollen.“