Gelsenkirchen. .

Wollte eine Gelsenkirchener Bäckerei Beschäftigte loswerden? Eine wegen Diebstahlsvorwürfen fristlos gekündigte Verkäuferin der Großbäckerei Gartenbröcker erstreitet vor Gericht eine Abfindung.

Mal ein Puddingteilchen, mal eine Nussschleife: die Bestellungen waren unterschiedlich, das Ergebnis schien meist gleich. Geld, das Kunden zum Bezahlen auf die Theke legten, landete nicht in der Kasse – behaupten die Testkäufer, Mitarbeiter der Sicherheits-Firma UBH aus Kurort Hartha. Die Detektive waren in den letzten acht, neun Monaten geradezu im Dauereinsatz. Ihr Auftraggeber: die Großbäckerei Gatenbröcker. Nach internen Hinweisen, heißt es dort, wollte man diebischen Mitarbeitern auf die Spur kommen. In einem Fall habe man so Unterschlagung im fünfstelligen Bereich aufgedeckt.

Kritiker sehen das anders. Wie die Essener Rechtsanwältin Silvia Steuck. Sie glaubt, dass der Betrieb auch Mittel und Wege suchte, Mitarbeiter loszuwerden. Es habe Ende 2009 und im Februar 2010 zwei größere Kündigungsrunden gegeben, bei denen sich Gatenbröcker von Verkäuferinnen getrennt habe. Der Vorwurf: Diebstahl. Untermauert wohl jeweils durch die UBH-Detektive. „Minus in der Kasse. Diebstahl oder Zufall?“ wirbt das Unternehmen auf seiner Homepage um Kunden und zeigt dazu, ganz passend, das Foto eines Backshops.

Mehrere Dutzend Verkäuferinnen „unter Druck gesetzt“?

Bianca L. glaubt an eine Falle, in die mehrere Dutzend Verkäuferinnen tappten. Sie wurden des Diebstahls und fortgesetzten Betrugs bezichtigt und „dann so unter Druck gesetzt“, dass sie kündigten. Auch L. wurde aus Sicht der Firma erwischt, auch sie fühlte sich am 25. Februar massiv durch die Detektive und Gatenbröcker gedrängt, umgehend die eigene Kündigung zu unterschreiben. Ansonsten würde Strafanzeige gestellt – was nicht geschah.

Wie bei anderen Verkäuferinnen wollen Testkunden in weit über zehn Fällen beobachtet haben, wie L. in ihrer Filiale an der Horster Straße 212 Kleinbeträge nicht ordnungsgemäß in die Kasse eingab. Zum 1. März kam die fristlose Kündigung. Seither bezieht L. kein Gehalt, nach Mietrückständen wurde ihre Wohnung gekündigt, beim Arbeitsamt hat sie eine Sperre.

Andere Verkäuferinnen, so L., hätten sich nicht gewehrt. Aus Scham, aus Sorge, dass sie keine Stelle mehr kriegen, wenn sie ihren Fall öffentlich machen. Vielleicht auch, weil die Tat-Vorwürfe berechtigt waren. Doch L. zog vors Arbeitsgericht. Wie vier weitere Ex-Beschäftigte seit Dezember 2009. Jeweils zum Vergleich führten die Verhandlungen.

L. kann sich jetzt zumindest als moralische Siegerin fühlen. Ihre fristlose wird in eine fristgerechte Kündigung umgewandelt, ihr Gehalt seit Februar nachgezahlt, bis Monatsende erhält sie einen 5000-Euro-Abschlag, um ihre Finanznot zu beenden. Zudem, forderte Richterin Renate Schreckling-Kreuz, soll sie „ein wohlwollendes, qualifiziertes Arbeitszeugnis“ erhalten. Und Gatenbröcker stimmte einer Abfindung in Höhe von knapp 8300 Euro zu. „Wir machen das so, dann ist das vom Tisch“, bekundete Franz-Josef Brune, der an der Verhandlung als „Assistent der Gatenbröcker-Geschäftsführung“ teilnahm.

„Wir machen keine Hasenjagd auf Leute“

Die Richterin machte vorab deutlich, dass sie „ausgesprochene Probleme“ mit dem Tatnachweis habe, dass ihr Verdachtsmomente und vorgelegte Kassenrollen nicht reichten. Die Bewertung „kann man teilen, muss es aber nicht“, sagt Anwalt Michael Karallus und vertritt die Firmen-Sicht: „Die Verfahren sollten zügig beendet werden. Man wollte sich von Mitarbeitern trennen, die in die Kasse gegriffen haben.“

Zehn Jahre arbeitete L., gelernte Bäckerin und Bürokauffrau, bei Gatenbröcker. Schon 2007 suchte sie bei Steuck Rechtsbeistand, weil sie sich unter Druck gesetzt fühlte. Brune weist solche Vorwürfe zurück: „Wir machen hier keine Hasenjagd auf Leute. Wir haben ganz normale Kündigungen gehabt.“ Und die Zahl der Entlassenen? „Die liegt nicht bei 30, nicht bei 20, das ist dummes Zeug.“