Gelsenkirchen.
Nach der Ausweitung des Tempolimits auf der A 2 wird am Erler Tunnelportal auf Druck der Anwohner nun nachträglich Dämmmaterial eingebaut. Grüne kritisieren, die Stadt müsse sich mehr als Anwalt der Bürger verstehen.
Die Bürgerinitiativen gegen Lärm freuen sich nach der Ausweitung des Tempolimits an der A 2 über einen weiteren Teilerfolg: Zur Erhöhung des Lärmschutzes wird am Tunnelportal des Erler A 2-Deckels Dämmmaterial eingebaut.
Noch bemerkenswerter als dieses Zugeständnis des Landes ist die Vorgeschichte, die aus Sicht der Bürger und der Grünen auch Fragen über die Rolle der Behörden und insbesondere der Stadt aufwerfen.
Teile der Lärmschutzwand sind nicht gedämmt
Den Stein ins Rollen gebracht hat Wilhelm Bialy, der BI-Sprecher der an der A 2 gelegenen Siedlung Birkenkamp. Er hatte festgestellt, dass an Teilen der Lärmschutzwand an der Frankampstraße die Dämmung fehlt. Das führe dazu, so der Rentner, dass der Schall nicht absorbiert, sondern zu den angrenzenden Wohngebieten reflektiert werde und damit die Lärmbelastung zusätzlich erhöhe.
Nach einem Gespräch mit Bialy hatte CDU-MdL Oliver Wittke kurz vor der Landtagswahl in einer Anfrage an Verkehrsminister Lienenkämper u.a. dieses Thema angeschnitten. Schriftliche Antwort des Ministers: „Die Lärmschutzkassetten [des Tunnelportals] sind mit Dämmmaterial ausgestattet. Das Material ist schwarz kaschiert und von außen nicht ohne weiteres als Dämmmaterial erkennbar.“
Erfolg beim Ortstermin
Die Botschaft hörte die Initiative wohl, allein ihr fehlte der Glaube. Die Initiative sprach deshalb das Thema bei ihrem Treffen mit Regierungspräsident Paziorek erneut an und vereinbarte einen Ortstermin mit Straßen.NRW.
Und der verlief in dieser Woche für die BI-Vertreter Bialy und Prof. Michael Neubauer überraschend. Die Landesbehörde räumte nämlich ohne Weiteres ein, dass am Tunnelportal in Teilen der Kassetten tatsächlich das Dämmmaterial fehlt. Das sei aber kein Pfusch gewesen. Sondern: Diese Schutzmaßnahme sei aufgrund der lärmtechnischen Berechnungen gar nicht erforderlich gewesen, so Straßen.NRW.
Es gibt keinen Anspruch auf Dämmung
Ursprünglich sei sogar nach dem im Einvernehmen mit der Stadt aufgestellten Gestaltungsentwurf „aus optischen Gründen“ eine durchgehende Glaswand am Tunnelportal Frankampstraße ohne jeden Dämmschutz geplant gewesen. Man habe nur deshalb Lärmschutzkassetten bzw. Lochbleche eingebaut, damit Autofahrer auf der A2 bei der Tunneleinfahrt nicht aus Richtung Frankampstaße geblendet werden. Die falsche Antwort des Ministers auf die Anfrage sei auf ein „Missverständnis“ zurückzuführen.
Nach wie vor gebe es keinen Anspruch auf Dämmung. „Die Nachberechnungen haben ergeben, dass die Lärmwerte dort eingehalten werden“, so Jürgen Pauly (Straßen.NRW) auf WAZ-Anfrage. Dass diese Berechnungen nicht unbedingt etwas über das subjektive Lärmempfinden und die tatsächlichen Belastungen für Anwohner aussagen, räumt er ohne Wenn und Aber ein.
44 Quadratmeter werden zusätzlich gedämmt
Straßen.NRW sagte der BI beim Ortstermin denn auch zu, die Dämmung nachträglich einbauen zu lassen. Diese nicht sehr kostenträchtige Maßnahme soll in Kürze erfolgen. Bis zu 44 m² würden zusätzlich gedämmt, so die BI-Berechnung. Geprüft wird zudem eine Anregung Bialys, das Lkw-Überholverbot an die Tempolimit-Zone anzupassen.
Dies löse zwar nicht alle Probleme für die Anwohner, sorge aber für weitere Verbesserungen, so Prof. Michael Neubauer. Im Rückblick wundere er sich, dass beim Tunnelbau nicht alle damals möglichen schalldämmenden Maßnahmen ergriffen worden seien. Dass bei der Planung der Tunnels offenbar nur optische Aspekte im Vordergrund gestanden hätten, „macht mich sprachlos“, so Neubauer.
Unfassbarer Aufwand
Und auch Grünen-Ratsherr Dennis Melerski kann nur staunen. Es sei unfassbar, welchen Aufwand Bürger hier in ihrer Freizeit betreiben mussten, um zunächst in Sachen Tempolimit und jetzt beim Tunnelportal Verbesserungen beim Lärmschutz durchzusetzen. Ergebnisse seien vor allem durch den Druck der Betroffenen und das anschließende Aufgreifen des Problems durch die Politik erzielt worden. In der Pflicht sieht er vor allem die Verwaltung. Diese dürfe nicht immer nur darauf verweisen, dass sie nicht zuständig sei: „Die Stadt muss sich viel stärker als Anwalt für ihre Bürger verstehen und sich für deren Lebensqualität einsetzen“, fordert Melerski. Immerhin habe es in den vergangenen Jahren einige Verbesserungen gegeben, die er vor allem aufs Umweltreferat zurückführt.
Zurück zum Tunnelportal: Die BI will die Angelegenheit längst nicht zu den Akten legen. Wilhelm Bialy hat beim Verkehrsministerium Akteneinsicht beantragt. Nachgegangenen werden soll vor allem der Frage, ob bei der Entscheidung über den Lärmschutz am Tunnelportal alle relevanten Rahmenbedingungen berücksichtigt wurden.