Gelsenkirchen. Jugendliche Sexualstraftäter werden nicht länger auf einem Kita-Gelände betreut. Am Tag nach der WAZ-Berichterstattung demonstrieren die Verantwortlichen Einigkeit: Angeblich gibt es keine Informationslücke und mit der Nachbarschaft "kein Problem".
Am Tag danach ist alles anders: Nach dem Bericht der WAZ über ein Therapieprojekt für jugendliche Sexualstraftäter auf dem Gelände einer Gelsenkirchener Kindertagesstätte wussten auf einmal doch alle Bescheid, die sich am Donnerstag noch erstaunt gezeigt hatten. Und sehen in der räumlichen Nähe keinen Anlass zur Besorgnis. „Es gibt kein faktisches Problem”, erklärte Alfons Wissmann, Leiter des Jugendamts, am Freitag. Trotzdem werden die betroffenen Jugendlichen umziehen müssen: „Wir werden das Angebot nicht mehr in diesem Gebäude machen.”
Gegen das Stigma, ein Sextäter zu sein
Allerdings keinesfalls, weil man eine Gefahr für die Kinder sieht oder etwas „im Verborgenen getan hätte”: Grund, so Wissmann, sei einzig, dass nach der Berichterstattung jeder Jugendliche, der das Haus besuche, „das Stigma erfährt, womöglich ein Sexualstraftäter zu sein”. Die WAZ hatte berichtet, dass auf dem Gelände einer Kindertageseinrichtung auch eine ebenfalls städtische Erziehungsberatungsstelle ansässig ist. Die unter vielen Angeboten für Familien seit 15 Jahren auch sehr erfolgreich Jugendliche therapiert, die durch sexuellen Missbrauch von Kindern auffällig geworden sind. Eine Standortentscheidung, die er heute anders treffen würde, hatte Wissmann eingestanden, und: Man hätte darüber mit den Erzieherinnen offener sprechen müssen.
Deren ehemalige und die aktuelle Chefin hatten zunächst gesagt, die genauen Umstände des Projekts nicht gekannt zu haben. Auch sei es nie detailliert mit den Eltern besprochen worden. Gestern erklärten sie übereinstimmend: „Ich wusste um das Projekt.” Die Zusammenarbeit unter Nachbarn lobte die jetzige Leiterin der Kita, Barbara Büchler, als „super-gut”. Auch eine Elternvertreterin erklärte, es sei klar gewesen, „dass in einer Beratungsstelle Therapieangebote stattfinden”. Sie kenne „die Ängste nicht”.
Wolfgang Schreck, Leiter der Beratungsstelle, bestätigte, man leiste „Pionierarbeit”, über die er bei regelmäßigen Besuchen in der Kita auch berichtet habe. Schwerpunkt seiner Arbeit sind Erziehungsfragen, die Themen Partnerschaft oder Gewalt. Von 1208 Fällen bezogen sich 2008 nur 24 auf jugendliche Sexualstraftäter.
Tatsächlich hat es auch Presseberichte gegeben über das Therapieprojekt und öffentliche Sitzungen im Stadtrat. Dennoch gibt es auch diese Szenen am Freitag: Frauen, Mitarbeiterinnen oder Mütter, die an der Tür zur Beratungsstelle vorbeigehen und leise reden. „Und hier sind die immer reingekommen?” – „Mach mir keine Angst.”
Sicherer Ort für Kinder
Dabei will Angst niemals jemand gehabt haben; „Angst wird jetzt erst geschürt”, sagt Kita-Chefin Büchler. Vollkommen unnötig, meint Wolfgang Schreck: „Es gibt keinen sichereren Ort für Kinder, als sich auf diesem Gelände aufzuhalten”, betreut von geschulten Erzieherinnen. Es sei „schlechterdings unmöglich”, dass ein Kind hier durch Übergriffe Schaden erleide.