Gelsenkirchen. Der Gelsenkirchener Hauptbahnhof wurde durch Kabeldiebe lahmgelegt. Schutz vor solchen Attacken gibt es kaum. Das sind die Gründe dafür.

Metalldiebstähle kommen immer wieder vor. Vor fast genau einem Jahr haben Kabeldiebe den Bochumer Hauptbahnhof lahmgelegt. Wie jetzt auch in Gelsenkirchen hatten sie es auf dicke Kupfer- und Glasfaserkabel abgesehen, Leitungen am Montag (3. Juni) rigoros gekappt und herausgeschnitten. Folge: zahlreiche Zugausfälle, verärgerte Pendler. Über die Lichtleiter kommunizieren beispielsweise die Stellwerke untereinander, bekommen Weichen und Signale ihre Stellbefehle. Deswegen hat der Schaden an den Kabeln so massive Konsequenzen.

Kinderleichter Zugang: Riesiges Streckennetz, Sicherheitsmaßnahmen meist rund um die Bahnhöfe

Zwar werden Bahnhöfe mittlerweile mit Kameras überwacht, im erweiterten Umfeld der Drehkreuze stellen Zäune und Videotürme Hindernisse und Abschreckung für ungebetene Gäste dar. Das war es aber auch schon weitgehend, denn bei „einem Streckennetz von rund 34.000 Kilometern mit rund 2600 Stellwerken in Deutschland ist eine flächendeckende und lückenlose Überwachung trotz aller Maßnahmen nicht zu gewährleisten“, sagt ein Sprecher der Deutschen Bahn auf Anfrage.

Das Tochterunternehmen DB Sicherheit hatte im Vorjahr bereits angekündigt, 500 zusätzliche Stellen zu besetzen, allein 100 in 2023, jeweils weitere 200 dann 2024 und 2025. Außerdem werde der Einsatz moderner Technik vorangetrieben, dazu gehören Videotürme wie der an der Bochumer Bahnstrecke sowie Wärmebildgeräte. Auch verdeckte Einsätze von Sicherheitsleuten seien möglich.

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Trotzdem ist es in der Regel kinderleicht, an Gleise und Kabelkanäle heranzukommen. Vor allem auf den Strecken zwischen den einzelnen Haltepunkten sind es oft nur Büsche und Bäume, die sich einem in den Weg stellen. „Ein Zaun, der das gesamte Streckennetz der DB absichern würde, hätte eine Länge, die rund zwei Mal um den Äquator reicht“, begründet der Sprecher die meist fehlenden Einzäunung von Gleisanlagen. Außerdem kämen Rettungskräfte bei Noteinsätzen nicht schnell genug an Ort und Stelle.

Und: Um Wartungs- und Reparaturarbeiten zu erleichtern, sind die viele Kabel nach Auskunft der Deutschen Bahn oberirdisch verlegt, geschützt nur durch einen Kabelkanal oder -trog aus Stein oder Beton, deren einzelne Platten sich selbst von Kinderarmen abdecken lassen. Ein Risiko für die Bahn und ein Anziehungspunkt für Kabeldiebe.

Metalldiebstahl: Hohe Margen locken Täter - Schaden für die Deutsche Bahn geht in die Millionen

Denn solche Metalle haben einen hohen Marktwert. Kupfer zum Beispiel wird an der Londoner Metallbörse aktuell mit rund 10.000 US-Dollar pro Tonne gehandelt. Und die Nachfrage nach Kupfer, aber auch nach anderen Metallen, ist groß - zum Beispiel für Stromleitungen, E-Autos und weitere Elektronik. Im August 2023 haben Kupferdiebe in Gelsenkirchen gleich tonnenweise Beute gemacht und Metall im Wert von etwa 60.000 Euro gestohlen. Die Deutsche Bahn war nach eigenen Angaben 2023 in rund 470 Fällen von Metalldiebstahl betroffen. Schadenssumme: rund sieben Millionen Euro.

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Hehlerware zu verkaufen, ist aber nicht ganz so einfach. Nach Angaben des Verbands Deutscher Metallhändler und Recycle sind die Altmetallhändler darauf geschult, Teile, die zum Beispiel von der Bahn stammen könnten, zu erkennen. Der Verband leitet zudem seinen Mitgliedsunternehmen regelmäßig Diebstahlmeldungen weiter. Daten wie Tatort, Tatzeit, aber auch Art und Menge des gestohlenen Metalls, Bauteilbeschreibungen, Branding und Markierungen werden übermittelt, sodass Diebstahlware durchaus wiedererkannt werden kann. Außerdem stellen die Altmetallhändler die Personalien der Anbieter fest.

Die Bahn selbst setzt unter anderem verdeckte Kräfte ein, die in Verbindung „mit Drohnen, Wärmebildkameras und Videotürmen Dieben das Handwerk legen“. In Kooperation mit dem Verband Deutscher Metallhändler werde zudem künstliche DNA aufgebracht, deren Code nur einem Anwender, in dem Fall einem Eigentümer, zugeordnet werden kann.

Die Deutsche Bahn rechnet nach Angaben des Sprechers damit, dass die Reparatur der Leitungen im Laufe des Tages abgeschlossen sein werden. Geplant war gegen Mittag (12 Uhr). Wann der Bahnverkehr wieder anläuft: noch offen.

Durch den Metalldiebstahl in Gelsenkirchen müssen gleich mehrere Regionalbahnen umgeleitet werden: RE 2, RE 42 und RE 3. Für beide Regionalbahnen ist ein Schienenersatzverkehr eingerichtet worden. Ersatz für die RE 3 sind die jeweiligen Stadtbahnlinien. Vom Ausfall betroffen auch: die Regionalbahnen RB 43 und RB 46. Auch hier bedeutet Schienenersatzverkehr mit Bussen die Alternative.