Gelsenkirchen. Unterricht und Studium in der Justizvollzugsanstalt: Das ist in Gelsenkirchen tatsächlich möglich - unter diesen Bedingungen.
Statt einen Knast-Job anzunehmen, können sich die Häftlinge in Gelsenkirchen auch für einen sogenannten „Lift-Kurs“ bewerben und an täglichem Schulunterricht als Vollzeitmaßnahme teilnehmen. Unterrichtet werden hier die Fächer Deutsch, Mathematik, Englisch, Sozialwissenschaft (Gesellschaftslehre, Politik, Geschichte), Informatik und Sport. Orientiert wird sich in der Regel am Material der mittleren Sekundarstufe I. „Aber das Niveau ist lerngruppenabhängig“, sagt Ann-Kathrin Bücker, die den offiziellen Titel „Oberlehrerin“ trägt. Ein Nischenberuf. „Es gibt nur 130 Vollzugslehrer in ganz NRW“, sagt Bücker.
Aktuell wird der Lift-Kurs in der JVA von Männern im Alter zwischen 20 und 40 Jahren besucht. Es gibt Hausaufgaben und es werden Tests geschrieben. „Bei den Lift-Kursen geht es um Grundbildung“, sagt Bücker über den Unterricht, der in der Regel von Häftlingen besucht wird, die keinen Schulabschluss gemacht haben. Ihren Abschluss nachholen können die Häftlinge mit den einjährigen Kursen in Gelsenkirchen allerdings nicht. Dafür müssten sie sich verlegen lassen, etwa in die Justizvollzugsanstalt Werl.
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Neben den Liftkursen hat die JVA auch „Deutsch als Fremdsprache“ in ihrem pädagogischen Angebot. Der sechsmonatige Kurs richtet sich logischerweise an Menschen in Haft ohne Deutschkenntnisse und umfasst auch Lerninhalte zu sozialen, wirtschaftlichen und politischen Zusammenhängen in Deutschland. „Die Teilnehmer sollen den Haftalltag besser bewältigen können, zum Beispiel ihre Post verstehen können“, sagt Patrick Keßler, der ebenfalls als Oberlehrer in der JVA arbeitet und auch Ansprechpartner für Häftlinge ist, die ein Fernstudium absolvieren wollen.
Häftlinge der JVA Gelsenkirchen können ein Studium an der Fernuniversität Hagen absolvieren
Denn auch das ist in der JVA möglich. Wenn sich jemand für ein Studium interessiert, dann wird nicht nur geprüft, ob das Abitur als Zulassungskriterium vorliegt. „Es wird auch aus vollzuglicher Sicht geprüft“, sagt Keßler. „Das Verhalten muss stimmig sein.“ Aktuell gibt es in der JVA Gelsenkirchen eine Handvoll Studierende, die an der Fernuniversität Hagen immatrikuliert sind. Sie studieren Mathematik, BWL oder Psychologie. „Das Lernmaterial gibt es über eine getunnelte Verbindung“, erläutert Keßler. Die Mails liest der Oberlehrer mit. Und Seiten wie Wikipedia ließen sich zwar aufrufen - kommentieren oder Einträge editieren könne man als Häftling allerdings nicht. „Die Kommunikation ist eben einseitig.“