Gelsenkirchen-Hassel. Video-Vision auf der Gelsenkirchener Zeche Westerholt zieht die Blicke in die Bergbau-Vergangenheit. „Weitersagen 2024“ setzt kreative Akzente.

Auf den ersten Blick könnte es eine Halde sein, die sich da hinter den wie frisch herausgeputzten Gebäuden aus der Gründerzeit türmt. Nach der letzten Schicht auf der Zeche Westerholt 2008, auch der letzten in Gelsenkirchen überhaupt, ist das allerdings ein Zeichen für den Aufbruch auf dem Areal, das nun auch „Neue Zeche Westerholt“ heißt.

Auf den 39 Hektar soll ein neues Quartier für klimagerechtes Arbeiten und Wohnen entstehen, zu sehen ist der Aushub der Erdarbeiten. Mit dem Projekt „Weitersagen 2024“ haben die Kreativen aus dem Verein Kultursalon Ruhr einen Blick in die Vergangenheit und damit auch einen weiteren Schritt in die Zukunft im Schatten der Schachtgebäude getan. Und: das Weitersagen lohnt sich.

Kultursalon Ruhr fungierte erneut als Veranstalter

Es ist viel hängengeblieben aus der Zechengeschichte, aber auch aus der jüngeren Vergangenheit, in der der Kultursalon Ruhr mit seinen rund zwei Dutzend Aktiven an und in den denkmalgeschützten Hallen und Werkstätten Ideen sammelt, entstehen lässt und pflegt. Im Mai 2022 haben sie nach mehr als zehn Jahren des Leerstandes die Tore der Zeche aufgestoßen und mit dem Urban Art Festival „Rubug“ zur Galerie umgewidmet. Über 60 internationale Künstlerinnen und Künstler hatten damals das Gelände mit Sprühdosen, Holz und Farbe belebt und eine Symbiose aus Geschichte, Kunst und Architektur präsentiert.

„Erleuchtung“ hat Daniel Weber vom Tele Team aus Herten sein Werk in der Fotoausstellung zu „Weitersagen“ genannt.
„Erleuchtung“ hat Daniel Weber vom Tele Team aus Herten sein Werk in der Fotoausstellung zu „Weitersagen“ genannt. © FUNKE Foto Services | Heinrich Jung

Der Erfolg dieses Festivals hatte den Machern Mut gemacht für ein neues Format, eben „Weitersagen 2024“. Zwei Tage stand vor allem die ehemalige Unternehmerkaue, in ihrer Dimension ein wahrhaftes Denkmal für sich, im Fokus der zahlreichen Besucher. Von denen hatten auffällig viele die Kamera statt des Handys vor Augen, um Details per Foto festzuhalten.

Die frühere Kaue der Gelsenkirchener Zeche wird Projektionsfläche

Die abgeteilte Hälfte der Halle wurde zur Projektionsfläche für ein Projekt, das den Schritt aus der Geschichte eindrucksvoll dokumentiert. Die Installation „More Many“ entstand auf Basis der Arbeiten des Künstlers Manfred „Many“ Szejstecki, der zu Lebzeiten auf dieser Zeche gearbeitet hat. Seine 360-Grad-Visionen setzte ein Team des Storylab KiU aus Dortmund in 3D-Techniken am Computer um und passte sie der Halle mit ihren teilweise gekachelten Wänden und stützenden Trägern um.

Was zu Manys Zeit den speziellen 360-Grad-Zelten in Freizeitparks und auf der Kirmes vorbehalten war, wurde so zu einem faszinierenden Blick in die Zeche und einen Rückblick auf ihre Vergangenheit. Gut acht Minuten im Viertelstundentakt fesselte sie die Interessierten. Denn das Wachsen von Netzstrukturen an den Wänden und vor allem die schwindlig machende Fahrt in die Welt unter Tage wurde zu einem beeindruckenden Gesamterlebnis.

Manfred „Many“ Szejstecki (1931-2016) wurde unter anderem durch seine Bergbau-Panoramen bekannt, in denen er das Ruhrgebiet von unten darstellte. Diesen wurde eine unvergleichbare Sicht auf die Industrielandschaft zugeschrieben.

Der Kultursalon Ruhr will Kunst und Kultur auf die ehemalige Zeche holen

„Wir wollen nach und nach mehr Kunst und Kultur in die Hallen und auf das Gelände holen“, sind sich Lukas Bachmann vom vierköpfigen Vorstand im Kultursalon Ruhr und Roland Szejstecki, Manys Sohn und ebenfalls Vereinsmitglied, einig. Zu „Weitersagen“ griffen diesmal die 16 Mitglieder des Tele-Teams Herten, eines Fotoclubs, der seit 1970 aktiv ist, in ihre Fotoarchive und präsentieren eine Auswahl großformatiger Fotos zum Thema „Industrie und Natur“.

Zum Thema gehörte für den Kultursalon Ruhr auch eine Dokumentation über die Geschehnisse am Braunkohletagebau Lützerath unter dem Titel „Lützi bleibt“. Kira Dreffke, ebenfalls im Kultursalon-Vorstand, umriss, dass darin viele Bilder zu sehen waren, die es nicht in den gängigen Tagesschau-Formaten gegeben habe. Die kritische Auseinandersetzung über den Umgang des Menschen mit der Umwelt gehört zu den Maximen des Vereins.

Relikte aus der Arbeit auf der Zeche Westerholt in Gelsenkirchen machen die Atmosphäre in der ehemaligen Kaue aus.
Relikte aus der Arbeit auf der Zeche Westerholt in Gelsenkirchen machen die Atmosphäre in der ehemaligen Kaue aus. © WAZ | Uli Kohlmann

Bei der „Extraschicht 2024“, der Nacht der Industriekultur am Samstag, 1. Juni, ab 18 Uhr ist die Neue Zeche Westerholt, Egonstraße 12, auch wieder ,it dabei: Im laufenden Prozess der Umgestaltung öffnen sich hier die Türen, erlauben den Weg vom Pförtnergebäude über die Kaue zur Lampenstube und zur Markenkontrolle in Richtung Schacht. Lichtdrohnen zelebrieren dann am späten Abend künstlerische Choreografien über der Anlage. Als Alternative zum Feuerwerk zeichnen sie Lichtbilder von der Geschichte des Bergbaus am Abendhimmel. Mehr dazu im Internet auf: www.extraschicht.de/info/ticketinfos