Gelsenkirchen. Echte, riesige Dampflokomotiven und mehr: Was bei dieser Versteigerung in Gelsenkirchen unter den Hammer kommt, bekommt man nicht alle Tage.
Es zischt und es stampft laut, es qualmt mächtig. Die Geräuschkulisse einer Dampflokomotive klingt für Nostalgiker wie Musik in den Ohren. Wer eine Dampflok noch aus seiner Kindheit kennt, dem geht das Herz auf. Die Älteren werden erinnert an aufregende frühe Zeiten, als Reisen noch ein Abenteuer war. Heute machen eher Zugausfälle, Verspätungen und marode Gleise eine Bahnreise zu einem Wagnis.
Gelsenkirchener Stücke: Von der Dampflok über historische Waggons bis zu Schwerlastkränen und Werkzeug
Eine Versteigerung von Dampf- und Dieselloks, wie sie jetzt in Gelsenkirchen bevorsteht, ist ein Ereignis für Eisenbahnliebhaber und Sammler. Für sie ergibt sich die einmalige Gelegenheit, historische Dampflokomotiven, Waggons und Maschinen zu erwerben. Am 16. April 2024 wird das umfangreiche Inventar des Bahnbetriebswerks Bismarck in Gelsenkirchen von der Deutschen Pfandverwertung in einer Online-Live-Auktion ab 14 Uhr den höchstbietenden Käufern zugeschlagen. Es kommen 42 Positionen zum Aufruf - etwa historische Dampflokomotiven, Diesellokomotiven, Güterwagen, historische Waggons, Schwerlastkräne für Bahnarbeiten, historische Drehbänke, Biegemaschinen, Standbohrmaschinen und jede Menge Werkzeuge bis hin zum Aufsitzrasenmäher.
Das absolute Sahnestück der Auktion mit viel Power und einer seltenen Kabine für Begleitpersonal ist der „Heißdampf-Güterzug Schlepptender Baureihe 50“, Baujahr 1942, im Zweiten Weltkrieg und in der Nachkriegszeit vielfach im Einsatz. Dieses pralle Leckerchen hat ordentlich Kalorien auf Kurbeln und Kolben - satte 130 Tonnen bringt es auf die Waage. Da haben Käufer ordentlich daran zu kauen, denn die schiere Masse allein ist schon eine Herausforderung für Transport und Aufstellung. Der heimische Garten fällt da raus. Und nebenbei ist dieses gigantische Dampfross auch nicht ganz billig, wie Eberhard Ostermayer von der Deutschen Pfandverwertung verrät. „Mindestens 26.000 Euro werden für dieses Schmuckstück aufgerufen.“
Dieser Dampf-Güterzug ist zwar das schwerste Objekt im Bahnwerk Bismarck, nicht aber das teuerste. Diesen Platz innehat ein „Schwerkleinwagen mit Ladekran, Bauart Meiller“, da beginnt der Bieterwettstreit bei 32.000 Euro.
Deutlich günstiger ist ein weiteres Prachtstück der Sammlung; und zwar die Dampflokomotive aus der Fabrik Henschel C400, Baujahr 1952. Mit 400 PS und einer Spitzengeschwindigkeit von 45 Kilometern pro Stunde bringt sie es auf ein Dienstgewicht von 43 Tonnen. Startpreis: 6000 Euro. 1952 wurde die Lok an das Hüttenwerk Huckingen in Duisburg-Wanheim, später Mannesmann Hüttenwerk Huckingen, als Werks-Lok ausgeliefert. In „Rente“ verbrachte das ausrangierte eiserne Ungetüm viele Jahre auf einem Spielplatz in Duisburg.
Problem: Es gibt noch zu viele alte Loks und Waggons auf dem Markt - und einen Liebhaber-Schwund
„Das Interesse an den Objekten ist da“, erzählt Eberhard Ostermayer, der schon kuriose Dinge wie ganze Windkraftanlagen an den Mann bzw. die Frau gebracht hat. Über ein Dutzend Voranmeldungen seien bei ihm bereits eingegangen. „Nur gibt es von solchen Lokomotiven und Waggons landauf, landab, einfach noch viele.“ Das drückt die Nachfrage, zumal auch Sammler und Liebhaber mit den stählernen Zeitzeugen in die Jahre gekommen sind. Oder wie es der bestellte, vereidigte Versteigerer ausdrückt: „Den Vereinen gehen die Mitglieder aus, und mit ihnen die finanziellen Ressourcen. Sie sterben eben.“ Zumal auch die Transportkosten für solche Schwergewichte derart „irre ins Geld“ gegangen sind, dass sich selbst gut betuchte Eisenbahnfans ein Gebot zweimal überlegen.
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Ostermayer rechnet daher damit, dass sich unter den Bietenden weniger Sammler und Liebhaber von Vereinen und Museen wie dem Bochumer Eisenbahnmuseum befinden werden, sondern vielmehr Geschäftsleute, die ein Auge auf die Maschinen geworfen haben, weil sie ihren (Reparatur-)Unternehmen „als Teilespender“ dienen könnten. Und mit Schrotthändlern, denen sich hier die Gelegenheit bietet, massenhaft wertvolles Rohstoffressourcen für den Nachschub zu erschließen. Je nach Metallart und Qualität klettern die Preise für Schrott auf über 10.000 Euro pro Tonne.
Aber: Einen Zuschlag unterhalb der aktuellen Metallpreise wird es dem Auktionator zufolge aber nicht geben. „Von daher rechne ich auch nicht damit, dass wir die Gebote hereinbekommen, die sich der Eisenbahnverein erhofft.“ Welche Summe da im Spiel ist, konnte Eberhard Ostermayer nicht sagen, auch der Verein war über seinen Ansprechpartner für die WAZ nicht zu erreichen. Dem Verein wurde laut Homepage bereits eine Räumungsklage zugestellt, die Zwangsversteigerung ist eine Folge davon. Ein Anhaltspunkt zur erhofften Zielmarke liefert aber wohl die Gesamtsumme der Mindestgebotspreise: rund 210.000 Euro.
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Die Verkaufsproblematik beeinträchtigt auch das Geschäft der Deutschen Pfandverwertung. „Denn wir leben von dem Aufgeld“, erklärt der Versteigerer. Aufgeld ist die Prämie, die Höchstbietende an das Auktionshaus zahlen. Die Höhe des Aufgelds ist in der Regel abhängig von der Höhe des Zuschlages. Das Spektrum reicht von drei bis 25 Prozent. Bis zu einem Kaufpreis von 99.999,99 Euro sind es 25 Prozent, ab einer Million Euro bis 3.999.999,99 Euro sind es sechs Prozent.
Bahnwerk Bismarck wird Drehkreuz für Akku-betriebene Züge des spanischen Konzern CAF
Zum Hintergrund der Versteigerung: Der spanische Schienenfahrzeug-Hersteller CAF (Construcciones y Auxiliar de Ferrocarriles), ein börsennotiertes Unternehmen mit rund 8000 Beschäftigten weltweit, hat das Gelände, das ursprünglich im Besitz des RVR (Regionalverband Ruhr) gewesen ist, gekauft. In Gelsenkirchen wird CAF ihre modernen akkubetriebenen Regionaltriebzüge für den Nahverkehr in der Region instand halten. Die Spanier werden nach Informationen der WAZ ab 2025 mit Batterie-elektrischen Schienenfahrzeugen auf den Strecken vom Niederrhein über das Ruhrgebiet bis ins Münsterland den Fahrbetrieb aufnehmen und ihre Flotte bis 2028 auf insgesamt 63 Züge aufstocken.
Zum Mobilitäts-Auftrag gehört auch ein Instandhaltungs- und Verfügbarkeitsvertrag über 30 Jahre, für den ein geeigneter Standort für einen Service- und Wartungsbetrieb gesucht wurde - und der ist Gelsenkirchen. Besondere logistische Bedeutung für CAF haben dabei der Ringlokschuppen und die Drehscheibe. Am ehemaligen Bahnbetriebswerk sollen bis zu 200 neue Arbeitsplätze entstehen.
Mitbietende müssen sich zuvor registrieren und ihre Kreditwürdigkeit belegen. Alle Details dazu hier.