Gelsenkirchen. Ausgebildete Busfahrerin, aber ohne Job: Die Hasselerin Emine Eyub hat ein Problem – sie ist alleinerziehende Mutter von drei Kindern.
Als wir Emine Eyub im Dezember 2022 kennenlernen, war irgendwie klar: Die 36 Jahre alte alleinerziehende Mutter von drei Kindern wird ihren Weg gehen, allen Widrigkeiten zum Trotz. Diese junge Frau, so zierlich und stark zugleich, wollte Busfahrerin werden, machte eine Weiterbildung bei der Jobagentur, absolvierte die mehrmonatige Fahrschule, ein Kraftakt. Und heute? Ist sie einfach nur noch wütend und enttäuscht. Denn schon seit Monaten sucht sie eine Stelle als Busfahrerin, doch niemand stellt sie ein. Wie kann das sein, in Zeiten von akutem Personalmangel?
Alleinerziehend in Gelsenkirchen: Eine junge Mutter sucht verzweifelt Arbeit
„Ich will arbeiten, ich sage das seit zwei Jahren“, berichtet Emine Eyub, als wir sie in ihrer Wohnung in Hassel besuchen. Es ist ein gewöhnlicher Dienstagmorgen, ihre Kinder sind versorgt. Für den Sechs- und den Zehnjährigen hat sie zuverlässig einen Platz im Offenen Ganztag. Betreuung von acht bis 16 Uhr also. Ihre „große“ Tochter ist 16 Jahre alt. Emine Eyub wäre jetzt lieber hinter dem Steuer eines Busses auf Gelsenkirchens Straßen unterwegs.
Wie viele Bewerbungen sie geschrieben hat, kann sie kaum noch aufzählen, es sind namhafte, hiesige Verkehrsunternehmen darunter, sie wird zu einigen Vorstellungsgesprächen eingeladen, bekommt Absagen und manchmal noch nicht einmal eine Antwort oder Eingangsbestätigung ihrer Bewerbung. Das, woran es scheitert, ist für die junge Mutter, die vor zwölf Jahren aus Bulgarien nach Deutschland und vor vier Jahren nach Gelsenkirchen kam, meist ein Punkt: Ihre mangelnde Flexibilität als Alleinerziehende. So habe es die Forderung gegeben, dass sie frühmorgens, um 4.30 Uhr ihren Dienst antritt. „Das schaffe ich nicht, ich habe dann keine Betreuung für meine Kinder.“
Keine Aussicht auf Anstellung, trotz guter Ausbildung als Busfahrerin
Rückblende: Wir treffen Emine Eyub Ende 2022 in Hassel, damals war sie noch Teil von „Benim Yolum“. Dieses Projekt, das Frauen neue Wege aufzeigt, war ihr rettender Anker. Nach ihrer Ausbildung zur Chemielaborantin, damals noch in Bulgarien, heiratet sie sofort. Sie sagt heute: „Das war mein großer Fehler“. Sie bekommt drei Kinder, ein Mädchen, zwei Jungen. 2012 kommt sie mit ihrem Mann und ihrer Tochter nach Deutschland, seit zwei Jahren nennt sie Gelsenkirchen ihr Zuhause. „Ich hatte keine Wahl“, sagt sie, wenn sie sich an diese Phase ihres Lebens zurückerinnert. Und dann erzählt sie, warum das so war. In ihrer Ehe erlebte sie Gewalt. Sie wollte nur noch raus aus diesem Leben, mit den Kindern, aber ohne Mann. Sie kommt bei einer Freundin unter und dann auch ganz schnell zu einer eigenen Wohnung.
Im Lauf ihrer Teilnahme bei „Benim Yolum“ reift in ihr die Idee, Busfahrerin zu werden. Sie tritt ihre Ausbildung im Winter 2023 an, finanziert wird das Ganze vom Jobcenter. Die Kosten dafür sind hoch, Emine Eyub schätzt, es seien an die 18.000 Euro gewesen. Es sind Förderungen von öffentlicher Hand, die investiert wurden, da doch eigentlich eine Aussicht auf Erfolg beziehungsweise auf Vermittlung in eine Anstellung besteht – nur eben aktuell bei der alleinerziehenden Emine Eyub nicht.
„Kein untypischer Fall“ für Alleinerziehenden-Expertin
„Das ist kein untypischer Fall“, bestätigt Ute Zimmermann, Sprecherin des Verbands allein erziehender Mütter und Väter NRW (VAMV NRW) mit Sitz in Essen. „Es gibt viele Alleinerziehende, die wollen arbeiten, qualifizieren sich und kommen dann aber nicht in den Arbeitsmarkt“, erläutert Zimmermann weiter.
Hilfe für Alleinerziehende
Der „Verband allein erziehender Mütter und Väter NRW“ (VAMV) kämpft eigenen Angaben nach „für gleiche Rechte und gleiche Chancen für Alleinerziehende“. Der landesweite Zusammenschluss von Alleinerziehenden mit Sitz in Essen existiert bereits seit 1976.
Der VAMV NRW ist erreichbar unter 0201-82774-70 oder per E-Mail unter info@vamv-nrw.de. Weitere Informationen gibt es auch im Netz unter vamv-nrw.de
Die Doppelrolle zwischen Kinderbetreuung und Erwerbstätigkeit immer gut auszufüllen, ist oftmals kaum möglich, ein Grund, den Ute Zimmermann nennt: „Die Strukturen fehlen.“ Alleinerziehende hätten wenige Wahlfreiheiten, oftmals fehle (wie auch im Fall von Emine Eyub) der familiäre Rückhalt. „Es ist immer eine Frage von Ressourcen“, so Zimmermann weiter. Alleinerziehende hätten wenig Zeit und in der Regel wenig Geld – und „sie sind sehr abhängig von einer funktionierenden Infrastruktur“.
„Die Flexibilität, die von den Alleinerziehenden gefordert wird, wünschen wir uns auch von den Arbeitgebern“, so Zimmermann. Dass die Probleme von Alleinerziehenden mittlerweile häufiger in der Öffentlichkeit diskutiert werden, sieht auch der VAMV NRW. Allerdings: „Es gibt da eine Verhaltensstarre, es wird nicht gehandelt. Wer will, findet Wege“, ist die Sprecherin überzeugt.
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„Ich brauche Unterstützung, egal von wem“, sagt Emine Eyub. Sie wünscht sich nur, dass sie endlich ihr eigenes Geld verdienen kann, nicht mehr abhängig ist von Sozialleistungen. Sie sei schon so weit gekommen, habe so viel geschafft, sagt sie auch und schüttelt verständnislos mit dem Kopf. Aufgeben ist für die 37-Jährige keine Option, schließlich hat sie auch diesen einen Antrieb, wie sie sagt: „Alleinerziehenden Frauen eine Stimme zu geben.“