Gelsenkirchen. Mehr Anträge, mehr Erlaubnisse: Beim Blick in die Statistik zum „Kleinen Waffenschein“ in Gelsenkirchen bleiben jedoch wichtige Fragen offen.
Einen sprunghaften Anstieg verzeichnet die Polizei Gelsenkirchen beim Thema „Kleiner Waffenschein“: Die Zahl der Anträge und die Zahl der Bewilligungen erreichten mit Wachstumsquoten jenseits der 80-Prozent-Marke ein Fünf-Jahres-Hoch.
Mit dem „Kleinen Waffenschein“ dürfen laut Gesetz Schreckschuss-, Reizstoff- und Signalwaffen außerhalb der eigenen Wohnung, der Geschäftsräume oder des eigenen Grundstücks geführt werden. Nur für den bloßen Besitz dieser Waffen bedarf es keiner Erlaubnis, sondern lediglich die Vollendung des 18. Lebensjahres.
Im vergangenen Jahr sind nach Angaben von Polizei-Sprecher Stephan Knipp 500 Anträge gestellt und 470 Erlaubnisse erteilt worden. Das entspricht einer Zunahme von 84 respektive 88 Prozent innerhalb von fünf Jahren. 2019 lag die Zahl der Anträge lediglich bei 265 und die Menge der Bewilligungen nur bei 255. Spitzenreiter war allerdings das Jahr 2018 mit 716 Genehmigungen.
Kleiner Waffenschein in Gelsenkirchen: Zahl der Anträge und Bewilligungen um über 80 Prozent gestiegen
Landesweit können die Behörden lediglich stichtagsbezogene Auswertungen machen, Angaben zu Antragszahlen, Bewilligungen oder Ablehnungen fehlen. Aber, so viel steht fest: Das Zehn-Jahres-Hoch von rund 180.000 registrierten Kleinen Waffenscheinen aus dem Jahr 2022 ist gleich zweimal hintereinander übertroffen worden. Dem Innenministerium zufolge waren Ende Februar 2023 in NRW 198.110 Kleine Waffenscheine registriert, Ende Februar 2024 weist die Statistik des Innenministeriums schon 217.730 Kleine Waffenscheine aus (+10 Prozent). 2015 lag ihre Zahl in NRW weit unterhalb dieser Werte – nämlich bei knapp 71.000.
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) betrachtet diese Entwicklung mit Sorge. Bereits die früheren Zahlen haben sie zu dem Schluss kommen lassen, „dass die Menschen glauben, das Thema Sicherheit selbst in die Hand nehmen zu müssen“. Die Gewerkschaft bewertet den Kleinen Waffenschein „als trügerische Sicherheit“, weil der Einsatz von Schreckschuss- oder Gaswaffen dazu führen könne, dass Situationen eskalierten. Die GdP fordert, dass der Verkauf von Schreckschusswaffen über lizenzierte Stellen abgewickelt werden muss. Zudem müsse die Eignungsprüfung verschärft werden.
Kleiner Waffenschein: Diese persönlichen Daten werden nicht erhoben - Geschlecht, Herkunft
Beim jüngsten Polit-Talk zum Thema „Sicherheit und Ordnung“ mit dem Gelsenkirchener Stadtrat Simon Nowack und der ehemaligen Polizeichefin Britta Zur stellten Zuhörer die Behauptung auf, dass sich angeblich immer mehr ältere Frauen und Flüchtlinge aus Syrien bewaffneten. Klarheit schaffen und eine Aussage dazu treffen kann bei diesen Fragen weder das örtliche Polizeipräsidium noch das Innenministerium. Solche Kennzahlen würden nicht erhoben, hieß es aus Düsseldorf. Alter und Geschlecht der Personen würden nicht nachgehalten, ergänzt Polizeisprecher Stephan Knipp. Lediglich auf die Volljährigkeit werde geachtet.
Wie viele solcher Schreckschuss-, Reizstoff- und Signalwaffen in Gelsenkirchen oder landesweit vorhanden sind, ist den Behörden zufolge ebenfalls nicht zu beantworten. Unter anderem liegt es daran, dass das Nationale Waffenregister (NWR) ein Bestandsregister sei und kein Verlaufsregister. Zudem sei es lediglich verboten, solche Waffen ohne Legitimation durch einen Kleinen Waffenschein in der Öffentlichkeit mit sich zu führen.
Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Kleinen Waffenscheins
Wer den Kleinen Waffenschein hat, der darf erlaubnisfreie Waffen mit sich führen. Es handelt sich dabei um entsprechend gekennzeichnete, sogenannte PTB-Waffen, erkennbar am entsprechenden PTB-Siegel der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt. Solche Reizstoff-, Schreckschuss- oder Signalwaffen dürfen allenfalls im Fall von Notwehr abgefeuert werden.
Wenn keine Gründe nach Paragraf 41 des Waffengesetzes vorliegen - „also etwa Drogen- oder Alkoholabhängigkeit oder psychische Krankheiten“ - und die Sicherheitsüberprüfung positiv endet, wird die Genehmigung erteilt. Bei der Sicherheitsüberprüfung fragt die Polizei bei der zuständigen Staatsanwaltschaft, dem Verfassungsschutz und im Bundeszentralregister nach möglichen Vorstrafen „über 60 Tagessätzen“ oder anderen Gründen, die gegen die Erteilung des kleinen Waffenscheins sprechen.
Wer 18 Jahre alt ist, kann den Kleinen Waffenschein beantragen. Ein fester Wohnsitz ist ebenso Voraussetzung, außerdem darf man nicht Mitglied einer als verfassungsfeindlich eingestuften Organisation sein.