Gelsenkirchen. Im Stadtrat Gelsenkirchen eskalierte es zuletzt völlig. Nun soll Ali-Riza Akyol (WIN) für eine weitere Sitzung ausgeschlossen werden. Die Gründe.
Wer beim Fußball eine Rote Karte gezeigt bekommt, der muss auch beim nächsten Spiel aussetzen. In der Politik kennt man rote Karten zwar eigentlich nur von den Stimmkarten, mit denen die Ratsmitglieder mit „Nein“ abstimmen können. Aber was auf dem Platz gilt, gilt jetzt wohl auch für Ali-Riza Akyol: Nach Vorstellung der Stadtverwaltung soll der Geschäftsführer der Gelsenkirchener WIN-Fraktion auch von der Ratssitzung am 21. März ausgeschlossen werden. Seine „Rote Karte“ hatte Akyol am 15. Februar erhalten, als er sich respektlos gegenüber der Oberbürgermeisterin äußerte und sich fast eine körperliche Auseinandersetzung mit CDU-Chef Sascha Kurth leistete
Zu Beginn der kommenden Sitzung des Stadtrates soll darüber abgestimmt werden, ob Akyols Ausschluss vor einem Monat berechtigt war. Die Stadtverwaltung hat hierzu eine achtseitige Beschlussvorlage vorgelegt, in der sie die Geschehnisse von Februar noch einmal aufarbeitet – und zu dem Entschluss kommt, dass Akyols Ausschluss nicht nur berechtigt war, sondern für die nächste Ratssitzung sogar zu wiederholen sei. Denn das Ansehen und das Vertrauen in den Rat sei durch sein Verhalten „massiv beschädigt worden“, heißt es. Die Maximalstrafe ist der erneute Ausschluss hingegen noch nicht: Gemäß seiner Geschäftsordnung kann der Rat den Sitzungsausschluss sogar auf zwei weitere Sitzungen ausweiten.
Akyol: Ständige Ablehnung von Anträgen sorgt für „Spannungen“
Akyol hatte die Möglichkeit, sich schriftlich zu den Vorfällen am 15. Februar zu äußern – was er auch detailliert tat. „Für meinen Teil werde ich die Geschehnisse zum Anlass nehmen, alles aus meiner Sicht Mögliche zu tun, dass es nicht wieder zu einer Entgleisung in der politischen Auseinandersetzung oder danach kommt und kann das bereits jetzt ausdrücklich ausschließen“, ließ der Politiker Reue erkennen, allerdings nicht ohne seine Frustration gegenüber der „schematischen“ und „nicht nach Sachkriterien erfolgenden“ Absetzung seiner Anträge im Rat durch die Fraktionen von CDU, SPD, Grünen und FDP auszudrücken. So würden „Spannungen“ entstehen, „die das Verhältnis untereinander und im Rat negativ beeinträchtigen.“ Akyols Vorschlag: Zu prüfen, ob es in anderen Kommunen auch regelmäßig zu derartigen Ablehnungen kommt und gegebenenfalls eine Mediation einzuschalten.
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Auch hält Akyol die Sitzungsleitung in Person von OB Welge für „nicht immer fair und objektiv“. Als diese in der Sitzungsunterbrechung der vergangenen Sitzung „vor versammelter Mannschaft“ an ihn herangetreten sei, um die bereits hitzige Ratssitzung zu beruhigen, habe er sie als „belehrend“ und „herablassend“ empfunden. Daraufhin fragte Akyol Welge, ob sie denn „noch alle Tassen im Schrank“ habe – was ja letztendlich zum großen Aufschrei im Rat und der Fast-Auseinandersetzung zwischen Akyol und Kurth führte.
Akyol versichert in seiner Stellungnahme an Eides statt, dass Kurth ihn mit einer „bedrohlichen Mimik“ durch eine Handbewegung zum Verlassen des Saales aufgefordert habe und selbst auf ihn zugegangen sei. Kurth hingegen betont, dass die Aggression von Akyol ausgegangen sei. Was stimmt, wird möglicherweise ein Gericht klären müssen: Akyol gab bekannt, eine Anzeige gegen Kurth erstattet zu haben.
Stadt Gelsenkirchen hat Befürchtung, dass sich Eskalation wiederholt
Wie wertet nun die Stadt Akyols Stellungnahme? Bei der Verwaltung hält man zwar fest: „Er drückt zwar sein Bedauern über seine Verhaltensweise aus und beschreibt, wie er sich alternativ hätte verhalten sollen. Er erkennt aber insgesamt nicht an, dass seine Verhaltensweise hier allein maßgeblich für die Eskalation gewesen ist.“ Zudem werde aus Akyols Stellungnahme nicht deutlich, dass er die Sitzungsleitungskompetenz der OB anerkennt. „Daher steht zu befürchten, dass in Ermangelung ernsthafter Einsicht, sich eine derartige Situation wiederholen würde.“
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„Durch die gezeigte Bereitschaft, den Weg des verbalen Diskurses zu verlassen, hat Herr Akyol für die übrigen Ratsmitglieder, mithin für das Gremium in Gänze, den Boden für eine demokratische Beratung und eine ungestörte Mandatsausübung entzogen und das Ansehen des Rates der Stadt öffentlich beschädigt“, heißt es zudem in der Beschlussvorlage. Lediglich das Eingreifen Dritter hätte einen „körperlich geführten Konflikt“ während der Ratssitzung verhindert. Akyol habe „hochemotional“ reagiert und sei mit einem „aggressiven und herausfordernden Ton“ in Richtung von Mitgliedern der Fraktion der CDU aufgefallen.
Akyol kündigte in seinem Schreiben bereits an, bei der Bezirksregierung die Prüfung zu beantragen, ob der Ausschluss aus der Sitzung rechtswidrig war. „Sollte das negativ beschieden werden, werde ich die Beschneidung meiner Rechte im Rahmen eines Kommunalverfassungsstreites vor dem Verwaltungsgericht anfechten“, so Akyol. Auch die Stadt macht sich bereits auf weitere Prüfungen gefasst: „Den rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprechend ist im Anschluss, sofern weiterhin ein Dissens über die Berechtigung von Maßnahmen bestehen sollte, im Zweifel eine gerichtliche Überprüfung anzustreben.“