Gelsenkirchen. Die Gelsenkirchener Kult-Kneipe „Kenkenberg“ gibt es seit den 50er-Jahren. Ihre Chefin will mit Live-Musik neue Gäste in die Altstadt locken.
Früher arbeitete sie als Steuerfachangestellte. „Doch irgendwann hatte ich keine Lust mehr auf den ganzen Papierkram“, sagt Kerstin Kulawik. Danach verdiente sie ihre Brötchen als Eventveranstalterin. Doch erst jetzt fühlt die 52-Jährige, dass sie beruflich endlich dort angekommen ist, wo sie auch hingehört. Denn seit vergangenen Sommer leitet sie als Geschäftsführerin die Kult-Kneipe „Kenkenberg“ in der Altstadt.
Am 1. Juli 2023 übernahm die in Essen lebende Kulawik die Rolle der Chefin in dem Laden, der völlig zu Recht den Beinamen Traditionslokal trägt. Langjährige Stammgäste wissen, dass er seit den 50er-Jahren existiert und dass er von seinen treuesten Anhängern liebevoll nur „Kenke“ genannt wird. „Ich war zum ersten Mal vor sechs Jahren als Gast hier. Danach habe angefangen, auch mal hinter der Theke mitzuarbeiten. Und jetzt bin ich seit einem dreiviertel Jahr die Geschäftsführerin und leite ein sechsköpfiges Team“, erzählt Kulawik bei einem Tresen-Plausch mit der WAZ.
In den 50er-Jahren wurde das „Kenkenberg“ noch als Weinstube eröffnet
An dieser Stelle sei ein kurzer Ausflug in die Historie erlaubt: Das „Kenkenberg“ ist benannt nach seiner ersten Besitzerin, die aber in den 50ern keine typische Bierkneipe eröffnete. Sondern eine Weinstube! Ab den 60er-Jahren ließ der damalige Wirt Alfons Binninger dann schon verstärkt Gerstensaft aus den Zapfhähnen laufen. „In den 70ern und 80ern machten Inge und Rolf Dennemann als Wirt die Kneipe dann zu einem beliebten Szenetreff für Künstler.“ Zu den Kult-Wirtinnen der vergangenen Jahre habe aber auch die inzwischen verstorbene Conny Lethmate gezählt.
Der Mann, der das alles erzählt, heißt Thomas Bertram, seines Zeichens Autor und leidenschaftlicher Musiker aus Gelsenkirchen. Bereits seine Eltern seien in den Anfangszeiten im „Kenkenberg“ Stammgäste gewesen. Kein Wunder also, dass auch er einer wurde. „Das war schon früher ein absoluter Magnet für die Altstadt“, sagt Bertram. „Der Laden war früher immer so proppenvoll, dass die Gäste oft bis nach draußen auf der Straße standen.“
Musiker sollen im „Kenkenberg“ einen Auftrittsort finden
Und an diese Zeiten will Kerstin Kulawik anknüpfen. In ihrem Konzept setzt sie dabei auch auf Live-Musik. Es gebe ja immer weniger Lokalitäten in der Stadt, wo hiesige Bands auftreten könnten. Genau deshalb wolle sie nun interessierten Musikerinnen und Musikern im „Kenkenberg“ eine weitere Bühne für Live-Auftritte bieten.
Die ersten Konzerte hätten bereits stattgefunden. „Und die Resonanz war klasse – sowohl von unseren Gästen als auch von den Bands“, berichtet die Kneipen-Chefin. Das Spannende sei die Zusammensetzung der Zuhörerschaft gewesen: „Wir hatten 20- bis 25-Jährige hier, die neben 70-Jährigen standen und alle haben gemeinsam gefeiert“, so Kulawik. Sie ist überzeugt, dass ihr Laden als Multigenerationsstätte gut funktionieren wird.
Es gab auch schon Lesungen und Fotoausstellungen als Kulturangebot
Neben Konzerten gab es aber auch schon Lesungen und eine Fotoausstellung. An jedem dritten Freitag im Monat lockt zudem die Bühne mit einem „offenen Mikrofon“, wo sich jeder Kreative, der sich traut, den Kneipengästen als Publikum stellen kann. „Seit ich hier die Verantwortung habe, hatten wir rund 30 solcher Veranstaltungen. Und alle haben mehr oder weniger richtig gut funktioniert“, sagt sie.
Das Wichtigste für sie seien bislang aber die vielen Reaktionen der Gäste gewesen. „Endlich macht mal wieder jemand was in der Altstadt“, lautete ein oft gehörter Satz. Genörgelt und geschimpft werde ja genug über den Zustand der City. „Wie oft habe ich in Gesprächen gehört: In Gelsenkirchen ist ja gar nix mehr los“, erzählt Kulawik. „Dem wollte ich unbedingt etwas Positives entgegensetzen.“
Beim nächsten Konzert spielt die Gelsenkirchener Band Red House Reloaded
Die Pläne für die nähere Zukunft stehen auch schon fest: Zur Fußball-EM will sie an Spieltagen nicht nur die ausländischen Gäste willkommen heißen, sondern die Spiele auch auf TV-Bildschirm und Großleinwand zeigen. Sie will Stand-up-Comedy-Abende etablieren, zudem ein Straßenfest ausrichten. Und natürlich verstärkt auf die Karte Kneipen-Konzerte setzen.
Das nächste findet an diesem Samstag, 16. März, ab 20 Uhr statt. Dann steht die Gelsenkirchener Bluesrock-Band Red House Reloaded auf der Bühne. Deren Gitarrist ist „Kenkenberg“-Stammgast Thomas Bertram. „Wir spielen ein zweistündiges Set mit vielen neuen Songs“, verspricht er. Und es gebe erstmals die Chance, den neuen Bassisten Rüdiger Fritz-Nehm live spielen zu sehen. Kerstin Kulawik hofft natürlich, dass ihre Kneipe auch an diesem Abend vor lauter Besucherandrang wieder aus allen Nähten platzt...