Gelsenkirchen. Mehr Freizeit für Mitarbeiter? Die Stadt Gelsenkirchen hat in einem Pflegeheim ein neues Arbeitszeitmodell getestet. Was daraus geworden ist.
Die Wochenarbeitszeit anders aufteilen und dafür einen Tag mehr Freizeit in der Woche? Die Vier-Tage-Woche ist seit geraumer Zeit ein Modell, das in immer mehr Betrieben von Arbeitnehmern gewünscht wird. Vor ziemlich genau einem Jahr berichtete diese Redaktion über ein Pilotprojekt der Stadt Gelsenkirchen, bei dem es zwar nicht um eine Vier-Tage-Woche, gleichwohl aber um mehr Freizeit für Angestellte in den städtischen Pflegeheimen ging. Schließlich steht die Pflegebranche vor der doppelten Herausforderung, einerseits den längst deutlich spürbaren Fachkräftemangel zu stemmen, den Beruf anderseits aber auch attraktiver zu machen, damit nicht noch mehr Pflegekräfte das Handtuch werfen.
Deshalb hatte die Stadt im vergangenen Jahr zunächst einen halbjährigen Probeversuch für die 102 Beschäftigten an der Schonnebecker Straße in Rotthausen, wo sich eines von vier Seniorenhäusern der Stadt befindet, gestartet. Dort wurde die 6-Tage-Woche auf eine 5,5-Tage-Woche reduziert. „Das war ein Wunsch, der direkt aus der Mitarbeiterschaft heraus entstanden ist“, berichtete seinerzeit Betriebsleiter Marc Dissel. Für Vollzeit-Pflegekräfte, die planerisch zwölf Tage am Stück durchgearbeitet haben, hieß die Umstellung, dass sie elf Tage arbeiteten und nicht mehr nur zwei Tage, sondern drei Tage frei hatten. Das bedeutete zwar, dass die Mitarbeitenden am Tag etwas länger arbeiten mussten, aber auch, das sie in ihren Schichten mehr Zeit hatten, um Aufgaben zu erledigen, für die sonst zu wenig Zeit geblieben sei – etwa die Pflegedokumentation.
Verkürztes Arbeitswochenmodell auf alle städtischen Heime ausgeweitet
Die WAZ Gelsenkirchen hat nun bei der Stadtverwaltung nachgefragt, was aus dem Pilotprojekt geworden ist: Aus Sicht der Beteiligten war und ist das Modell ein Erfolg. „Nach erfolgreichem Abschluss des halbjährigen Probeversuches wurde die 5,5-Tage-Woche im Seniorenhaus Schonnebecker Straße 108 im Jahr 2023 dauerhaft eingeführt. Nach Angaben der Beschäftigten können diese durch die 5,5-Tage-Woche ihre Arbeitszeit flexibler gestalten und haben mehr Zeit für persönliche Interessen und Erholung“, berichtet Stadtsprecher Martin Schulmann.
Aufgrund der positiven Erfahrungen wurde das Arbeitszeitmodell sogar noch im vergangenen Jahr im Seniorenhaus Haunerfeldstraße 30 und ab dem 1. Januar 2024 in den Seniorenhäusern Schmidtmannstraße 9 und Fürstinnenstraße 82 übernommen.
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„Aktuell wird in allen Fachbereichen (Pflege, Hauswirtschaft, Betreuung, Küche) der vier Seniorenhäusen der Stadt Gelsenkirchen in einer 5,5-Tage-Woche gearbeitet“, resümiert Schulmann. Belastbare Aussagen darüber, ob sich das Arbeitszeitmodell auch positiv auf den Krankenstand der Beschäftigten ausgewirkt hat, kann die Stadt nach eigenen Angaben aber „aufgrund der kurzen Laufdauer“ noch nicht treffen.
Große Mehrheit wünscht Lohnausgleich
Einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung aus 2023 zufolge wünschen sich rund 81 Prozent der Vollzeiterwerbstätigen in Deutschland eine Vier-Tage-Woche mit entsprechend niedrigerer Wochenarbeitszeit. Knapp 73 Prozent gaben an, eine Arbeitszeitverkürzung nur bei gleichem Lohn zu wollen. Acht Prozent der Erwerbstätigen würden ihre Arbeitszeit auch reduzieren, wenn dadurch das Entgelt geringer ausfiel. 17 Prozent der Befragten lehnten eine Vier-Tage-Woche ab, zwei Prozent haben ihre Vollzeittätigkeit bereits auf vier Tage verteilt. Die Befragten, die sich eine Vier-Tage-Woche wünschten, gaben an, mehr Zeit für sich selbst und für ihre Familie haben zu wollen (knapp 97 bzw. 89 Prozent; Mehrfachnennungen möglich).