Gelsenkirchen. Wie aus dem Nichts bekommt eine Gelsenkirchenerin die Diagnose Lungenkrebs. Gerade erst hatte die dreifache Mutter einen neuen Laden eröffnet.
Für viele Menschen startet ein neues Jahr gemeinhin voller Hoffnung und Zuversicht, auf das, was da noch kommt. Für die Bueranerin Isabelle Luthe-Jerratsch endete das alte Jahr wie das neue begann: mit der erschütternden Diagnose Lungenkrebs, beide Lungenflügel betroffen, das Gewebe durchsetzt mit „ganz vielen kleinen Tumoren“ und Metastasen in der Leber. Nach den ersten Untersuchungen diagnostizieren Ärzte eine „bösartig-aggressive“ Form, mittlerweile haben sie den Krebs heruntergestuft. Neben der Angst um ihr Leben treibt die 45 Jahre alte Mutter von drei Kindern, die ein Leben lang Nichtraucherin ist, noch eine weitere Sorge um: Was wird aus ihrem Lebenstraum, den sie sich doch gefühlt gerade erst erfüllt hat?
Diagnose Lungenkrebs: So kämpft eine 45-jährige Gelsenkirchenerin um ihren Traum
Um eines vorwegzunehmen: Isabelle Luthe-Jerratsch ist keine Frau, die Mitleid will – „ich bin kein Opfer, den Begriff finde ich schrecklich“. Dennoch spricht sie ganz offen mit der WAZ über die Probleme, die ihre Krebserkrankung nach sich zieht. Natürlich geht es dabei auch um die körperlichen Einschränkungen, die die ersten beiden Chemo-Durchgänge mit sich gebracht haben. Es drängt aber auch die Frage: Was wird aus den „Erler Kinderträumen“, einem Second-Hand-Shop für Kinder-Mode und Spielsachen, den sie erst am 23. September 2023 an der Cranger Straße 331 eröffnet hat?
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Im Grunde ist die Sache ganz einfach: Es sind die Sorgen um die finanzielle Zukunft. Auf absehbare Zeit wird die 45-Jährige immer wieder ausfallen (müssen). Vier bis sechs Chemos stehen noch an, das sind die zeitlichen Dimensionen, mit denen sie rechnet. Bis April, so schätzt sie, wird das dauern, darauf folgt eine dreiwöchige onkologische Reha. Aktuell kann Isabelle Luthe-Jerratsch es sich nicht leisten, Aushilfen auf Mini-Job-Basis zu beschäftigen, einfach, weil die Einnahmen ihres Ladens das (noch) gar nicht hergeben.
Problem der Selbstständigkeit: Jede freiwillige Mithilfe ist Schwarzarbeit
Ein weiterer Punkt: Ein Mini-Jobber bekomme auch Geld, wenn er oder sie krank sei, sagt die Selbstständige, die zuvor als Betreuungsassistentin in einer Seniorenresidenz für Demenzkranke gearbeitet hatte. Kräfte auf Honorarbasis kann sie einstellen, eine Frau im Ruhestand habe sie bereits gefunden. Einmal pro Woche soll sie kommen. „Wir hätten auch noch einige freiwillige Helfer. Aber jede Mithilfe, auch wenn unentgeltlich, ist Schwarzarbeit“, erklärt die Laden-Inhaberin. Eine große Hilfe ist indes ihr Mann Thorsten, der sie nicht nur seelisch, sondern auch bei all der Arbeit um ihren Secondhand-Shop unterstützt: „Er trägt alles, was ich nicht schaffe – und das ist zurzeit sehr viel.“
Was auch noch geht: Freiwillige Hilfe von den Menschen, die mit ihr verwandt sind. Ihre älteste Tochter hat sich schon zur Verfügung gestellt, sie hat derzeit Semesterferien und will ihre Mutter für diese Zeit, wann immer nötig, entlasten. Auf weitere Verwandtschaft kann Isabelle Luthe-Jerratsch in dieser schwierigen Situation nicht bauen, denn die lebt größtenteils mehrere hundert Kilometer entfernt im Ausland.
Die Diagnose Lungenkrebs traf die Gelsenkirchenerin und ihre Familie wie aus dem Nichts
Dabei lief es doch ganz gut an, in den vergangenen Wochen. Die Zahlen, sagt Isabelle Luthe-Jerratsch, seien kontinuierlich nach oben gestiegen. Immer mehr Menschen kommen zu ihren Erler Kinderträumen, immer mehr gebrauchte oder auch neuwertige Kleidungsstücke und Spielsachen erreichen ihren Laden. Viele der Kisten und Tüten stehen noch unausgepackt in den Hinterräumen, warten darauf, liebevoll an den metallenen Kleiderstangen aufgehängt oder in den Regalen ausgestellt zu werden.
Was fehlt, ist für Isabelle Luthe-Jerratsch schlicht die Zeit. Aktuell habe sie eine „gute Woche“, sagt sie selbst, das komme immer so zehn bis zwölf Tage nach dem Ende der Chemotherapie. Dann fühlt sie sich besser, wohler, ohne Übelkeit. Doch es gibt auch die Tage, an denen sie sich schlecht fühlt oder wegen der Chemo-Termine an sich erst gar nicht arbeiten kann. Und eben eine Unterstützung braucht.
Die Diagnose Lungenkrebs traf die Bueranerin, ihren Mann und ihre Töchter, wie aus dem Nichts, kurz vor dem Jahreswechsel. Eigentlich habe sie ihre ersten Betriebsferien nur dafür nutzen wollen, ihrem hartnäckigen Husten auf den Grund zu gehen. Auf eine kleine Odyssee zu mehreren Ärzten folgte dann die einschneidende Diagnose. „Die Party an Silvester haben wir erstmal abgesagt“, erinnert sich die Mutter. Viele Tränen seien anfangs geflossen, „ich bin jetzt aber schon gefasster im Umgang mit dem Ganzen“, sagt sie, als wir sie Anfang Februar in ihrem Laden treffen.
Unterstützung für Bueranerin im Internet: Spendenaufruf über die Plattform „gofundme“
Was ihr sehr geholfen hat und worüber sie sich auch sehr freut, ist indes eine andere Form der Unterstützung: Zwei ihrer Freunde haben eine Spendenaktion im Netz gestartet, auf der Plattform „gofundme“. Unter dem Titel „Spende, um unserer Freundin Isabelle zu helfen“ ist das ausgegebene Spendenziel 20.000 Euro. „Isabelle, die sich sonst selbstlos für andere einsetzt und engagiert, die mit Rat und Tat zur Verfügung steht, von der man jederzeit Hilfe bekommt, braucht nun selbst Hilfe“, heißt es in der Beschreibung.
Und weiter: „Der Laden, den sie vor wenigen Wochen eröffnet hat, braucht Aushilfen, welche sie aber eigentlich nicht bezahlen kann. Unsere Freundin Isabelle, die drei Töchter und ihr Mann, sollen sich ohne zusätzlichen Kummer/Sorgen ganz auf den Kampf gegen diese Krankheit konzentrieren können.“ Mit den Spenden konnte sich Isabelle Luthe-Jerratsch beispielsweise schon eine Perücke kaufen, ebenso wie die ersten teuren Vitamin- und Aufbaumittel.
So können Sie spenden
Im Internet ist der Spendenaufruf für Isabelle Luthe-Jerratsch zu finden unter gofundme.com.
Am Dienstag, 6. Februar 2024, waren mit Stand 16 Uhr insgesamt 5599 Euro an Spenden eingegangen.
Der Aufruf ist seit dem 23. Januar 2024 online.
„Alle Gedanken, die ich habe, darf ich haben“, auch wenn es dabei dann um die eigene Beerdigung, den eigenen Tod gehe, so weit ist Isabelle Luthe-Jerratsch mittlerweile. Aufgeben ist für sie keine Option. „Es bleibt mir nicht viel übrig, als Humor zu haben.“ Sie sei immer eine Macherin gewesen und das will sie auch weiterhin sein. „Ich fühle mich nicht nach Sterben gerade“, sagt sie und lacht. An ihrem Erler Kindertraum will sie weiterhin festhalten („Wir wollen nicht, dass der Laden schließt“) – und an ihren Plänen fürs „Danke sagen“: Im Sommer würde sie am liebsten eine Riesen-Party in ihrem Laden schmeißen und alle einladen, die sie unterstützt haben.