Im Ratskeller in Gelsenkirchen-Buer gab es acht Jahre lang die Kultkneipe M.Peyer‘s. An dieses Detail erinnern sich Gäste besonders gern.
Erdnüsse. Genau gesagt: Erdnussschalen. Die bis zu den Knöcheln reichten. Wer in den späten 90er- und frühen Nullerjahren im M.Peyer‘s war, der wird höchstwahrscheinlich genau diese Erinnerung an den Laden haben. Dabei gibt es genügend andere Gründe, sich an die Kultkneipe im Keller des Rathauses von Gelsenkirchen-Buer zu erinnern. Das findet zumindest Sejoscha „Joschi“ Agiri. Und der muss es wissen: Schließlich hat er die Geschichte des M.Peyer‘s ziemlich genau vom Anfang bis zum Ende miterlebt.
Es gibt Kneipen in Buer, die vielleicht nicht für viele Jahre existierten, die aber dennoch auch Jahrzehnte später in Erinnerung bleiben. In dieser WAZ-Serie wollen wir in unregelmäßigen Abständen an „Kultkneipen“ erinnern, die es heute nicht mehr gibt, die aber ein Buer verkörpern, an das sich viele Menschen auch heute noch gern erinnern: Mit einer lebendigen, vielfältigen Gastroszene, in der jede oder jeder die Kneipe seiner Wahl finden konnte.
In diesem Jahr öffnete das M.Peyer‘s im Rathaus von Gelsenkirchen-Buer
Wer nie dort war, dem muss man die Geschichte mit den Erdnüssen kurz erklären. „Eine Zeitlang standen auf allen Tischen große Schalen mit ungeschälten Erdnüssen“, erzählt Joschi Agiri. „Die konnte man knacken und essen – die Nussschalen hat man einfach auf den Boden fallen lassen.“ Die Folge: Je später der Abend wurde, desto höher wuchs der Erdnussschalenberg unter den Tischen. „Nach einer Zeit haben wir die Erdnüsse weggelassen“, sagt Agiri, „aber das ist eine Sache, an die sich die Menschen noch heute gerne erinnern.“
Ende 1996 öffnete das M.Peyer‘s seine Türen, Anfang 1997 begann Joschi Agiri, in dem Betrieb zu arbeiten. Wobei: Genau gesagt arbeitete er vor der Kneipe, er „machte die Tür“, wie man so sagt, war hauptverantwortlicher Türsteher. Und blieb das bis kurz vor der Schließung des M.Peyer‘s im Jahr 2004. Noch heute schwärmt er von der Zeit. „Das war eine der besten Kneipen in Buer“, sagt er wehmütig. „Hier hätte ich sogar umsonst gearbeitet.“
Das Konzept des M.Peyer‘s überzeugte von Beginn an
Wie viele Rathäuser (als Beispiel sei das in der Nachbarstadt Recklinghausen genannt) hat auch das Rathaus in Buer einen Keller, der gastronomisch genutzt wurde. Bis Anfang der 1990er-Jahre konnte man hier gutbürgerlich speisen, im „Pfefferkorn“ gab es Schnitzel und Co. Als sich das Pfefferkorn verabschiedete, übernahm die Familie Prange das Lokal. „Die kamen aus der Pfalz, waren Winzer“, erinnert sich Joschi Agiri. „Man musste ihnen erst einmal klarmachen, dass es einen Unterschied macht, ob ich eine Winzerstube in einem Pfälzer Dorf oder eine Kneipe im Ruhrpott eröffne“, sagt er und lacht.
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Doch die neuen Inhaber lernen schnell: Und kommen mit einem guten Konzept um die Ecke. „Das M.Peyer‘s war einer der ersten Läden, die auf Cocktails gesetzt haben“, sagt Agiri, „außerdem gab es eine richtig gute Küche mit dem Schwerpunkt American Food.“ Das hieß vor allem Spareribs und Chicken-Wings – inklusive entsprechender Aktionstage, an denen es für einen Festpreis so viele Ribs und Wings gab, wie man schaffte. Bier konnte man im M.Peyer‘s im „Pitcher“, also in einem großen Krug bestellen: Mitte der 90er war das auch noch nicht sehr weit verbreitet.
An diesen Tagen ging es im Ratskeller besonders hoch her
Die Inneneinrichtung sei geschmackvoll gewesen, außerdem konnte das M.Peyer‘s mit viel Ambiente punkten: Dafür sorgten auch die halbrunden Stützbögen sowie die ebenfalls halbrunden Fenster. Auch das Logo des M.Peyer‘s war unverwechselbar: Es zeigte den Schriftzug („Ich habe übrigens keine Ahnung, wer sich den Namen ausgedacht hat“, so Agiri) und das Maskottchen, einen Clown. Das Logo prangte auch auf jedem Bierglas: „Es war ein beliebter Sport, die Gläser mitgehen zu lassen“, sagt Agiri und lacht.
„Der Laden lief fast von Anfang an richtig gut“, schwärmt Joschi Agiri. Das Publikum sei „typisch Buer“ gewesen, bunt gemischt. Am Wochenende war es regelmäßig voll, auch die Aktionstage zogen die Gäste an. „Einer der Höhepunkte im Jahr war immer Rosenmontag“, sagt Agiri, „wenn die Leute nach dem Zug in Erle hier weitergefeiert haben – das war immer brechend voll.“ Auch der Milleniumsjahreswechsel von 1999 auf 2000 wurde hier rauschend gefeiert.
Graue Tristesse: Der Ratskeller heute
Doch wie das mit den meisten Kneipen so ist: Irgendwann läuft die Zeit ab. Im M.Peyer‘s war es 2004 so weit: „Die Inhaber hatten keine Lust mehr“, berichtet Joschi Agiri. Für eine kurze Zeit zog die „Wunderbar“ in den Ratskeller und versuchte, mit Plüsch und Leopardenoptik zu punkten – das Experiment funktionierte aber nicht, nach wenigen Monaten war Schluss.
Und seitdem? Seitdem steht der Ratskeller leer, versteckt sich der Eingang hinter einem Baugerüst. Demnächst soll das Rathaus saniert werden, mehrere Jahre wird das vermutlich dauern. In dieser Zeit wird sich wohl kaum ein Pächter finden lassen, der den Betrieb fortführt, mindestens so lange wird der Ratskeller in seinem Dornröschenschlaf verharren. Und womöglich von Erdnüssen träumen.