Gelsenkirchen-Buer. In Gelsenkirchen gibt es konkrete Pläne für eine künstlerische Turmspitze für die Propsteikirche St. Urbanus. Mich überzeugt die Idee aber nicht.
Wenn sich Verantwortliche in Gelsenkirchen Gedanken darüber machen, wie man die Stadt aufwerten kann, dann ist das grundsätzlich zu begrüßen. Gelsenkirchen hat oft zu wenig von diesem Geist, oft zu wenig Kreativität, zu wenig Menschen, die auch einmal ausgefallene Ideen zu Ende denken. Insofern sollte man den Plan von Propst Markus Pottbäcker und Künstler Christian Nienhaus, dem Urbanusturm eine neue Spitze aufzusetzen, zunächst einmal grundsätzlich wohlwollend prüfen, sich darüber freuen, dass es solche Ideen gibt. Und dass solche Ideen immer umstritten sind und nicht jedermanns Geschmack treffen, das versteht sich von selbst.
Dennoch: Mit dem Projekt sind die beiden Verantwortlichen übers Ziel hinausgeschossen. Das fängt damit an, dass der markante Turm mit dem flachen Dach eine absolute Marke von Buer ist. Keine Silhouette der Stadt, keine grafische oder fotografische Darstellung kommt ohne den Turm von St. Urbanus aus. So etwas verändert man nicht ohne Not. Gerade in seiner Unvollkommenheit (die alte Turmspitze wurde bekanntlich im Zweiten Weltkrieg zerstört) ist der Turm mahnendes Beispiel für die schrecklichen Folgen des Krieges, ist ein Zeichen gegen das Vergessen und gegen das Verdrängen. In einer Zeit, in der vieles, was vor wenigen Jahren noch undenkbar war, auf einmal wieder die Nachrichten beherrscht, in der Krieg in Europa auf einmal wieder Thema ist, ist das umso wichtiger.
Dazu kommt: In den vergangenen Jahren wurden viele Kirchen im Stadtnorden geschlossen, mussten viele Menschen damit leben, dass „ihre“ Kirche auf einmal nicht mehr da war. Gemeinden verloren im Zuge des Pfarreientwicklungsprozesses ihre Eigenständigkeit: Wer früher einmal Mitglied von Mariä Himmelfahrt, St. Ludgerus, St. Konrad oder Christus König war, der gehört jetzt zu St. Urbanus. Für nicht wenige Katholikinnen und Katholiken ist das eine Erfahrung, die mit einem Gefühl des Verlustes verbunden ist. Und auch, wenn das Geld für die neue Turmspitze nicht aus Kirchensteuermitteln, sondern aus Spendengeldern bezahlt werden soll: Der Eindruck, der zwangsläufig entsteht, ist doch, dass auf der einen Seite Kirchen geschlossen werden, auf der anderen aber ein teures Kunstprojekt entsteht, das mindestens umstritten ist.
Ob und wann die Spitze entstehen soll, steht noch in den Sternen. Angesichts der Bedeutung, die St. Urbanus aber immer noch für Buer und den Stadtnorden hat, und der Prominenz des Bauwerks für das Buersche Stadtbild, sollte es zumindest eine breite Diskussion über das Kunstwerk geben. Sonst riskieren die Verantwortlichen die Spaltung der Gemeinde.
Pro: Warum ich den Plan für die Kirchturmspitze in Buer gut finde - ein Kommentar von Sinan Sat.