Gelsenkirchen. In weiten Teilen von Nordrhein-Westfalen ist Hochwasser ein Problem, Gelsenkirchen kommt zurzeit noch glimpflich davon. Dafür gibt es Gründe.

Reißende Flüsse, überschwemmte Straßen; Felder und Wiesen, die zu Seen werden: In vielen Teilen von Nordrhein-Westfalen kämpfen die Menschen gerade gegen das Hochwasser. So dramatisch ist die Lage in Gelsenkirchen zum Glück nicht – auch wenn die Emscher zurzeit deutlich höher steht als sonst. Dass Gelsenkirchen glimpflich davonkommt, liegt ausgerechnet an einer Stadt, deren Namen man hier zumindest in Fußballerkreisen nicht gerne ausspricht.

Ilias Abawi tut es trotzdem: „Gelsenkirchen kann froh sein, dass es Dortmund gibt“, sagt der Sprecher der Emschergenossenschaft und lacht. Warum das so ist, dazu reicht ein Blick auf die Karte. Die Emscher entspringt bekanntlich im Sauerland und kommt auf ihrem Weg von Ost nach West, an dessen Ende die Mündung in den Rhein steht, auch in Dortmund vorbei, genau gesagt in Dortmund-Mengede. Dort, an der Stadtgrenze zu Castrop-Rauxel, befindet sich seit einigen Jahren ein Hochwasserrückhaltebecken mit einem Fassungsvermögen von 1,1 Millionen Kubikmeter Wasser, oder, wie es Ilias Abawi ausdrückt: „Etwa 7 Millionen Badewannen.“ Vieles von dem Wasser also, das aus dem Sauerland in Richtung Ruhrgebiet fließt, wird dort aufgefangen und zunächst zurückgehalten.

Emschergenossenschaft: In Gelsenkirchen droht zurzeit kein Hochwasser

„Zurzeit droht in Gelsenkirchen kein Hochwasser“, sagt Abawi. Es habe zwar an den vergangenen Tagen verhältnismäßig viel geregnet, aber noch nicht so viel, dass man sich Sorgen machen müssen. „Die Hochwasserampeln an der Emscher stehen seit Mittwoch wieder auf Grün“, sagt er. Zwar seien für das Wochenende weitere Niederschläge angekündigt, die bereiteten den Verantwortlichen bei der Emschergenossenschaft aber kein Kopfzerbrechen, so der Sprecher.

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Dass das so ist, liege auch zu einem Teil an den Maßnahmen, die in den vergangenen Jahren im Rahmen des Großprojekts Emscher-Umbau getroffen wurden, sagt Abawi. Dazu zählt die Renaturierung der Emscher und ihrer Zuflüsse: Waren die Gewässer noch vor einigen Jahren in enge Betonbetten gezwängt, die schnell überlaufen konnten, so haben Emscher und Co. jetzt vielerorts mehr Platz, um sich bei Hochwasser breitzumachen, sorgen Flussauen dafür, dass sich das Wasser verteilen und im Boden versickern kann.

Teile der Stadt gehören zum Einflussgebiet der Lippe

Ein weiterer Baustein in Sachen Hochwasserschutz ist der unterirdisch verlaufende „Abwasserkanal Emscher“, der das Abwasser aufnimmt, das früher direkt in die Emscher gepumpt wurde. „Dadurch sind die Flüsse und Bäche rund um die Emscher in der Lage, mehr Regenwasser aufzunehmen“, sagt Abawi.

Allerdings sei die Emscher nicht der einzige maßgebliche Fluss in Gelsenkirchen: „Teile des Stadtnordens gehören ja auch zum Einflussgebiet der Lippe“, sagt Abawi. Die Wasserscheide zwischen Lippe und Emscher verläuft in West-Ost-Richtung etwa auf Höhe der Linie Vinckestraße/Vom-Stein-Straße; Gewässer wie der Picksmühlenbach und Rapphofsmühlenbach fließen in die Lippe. Und die sei zurzeit deutlich mehr vom Hochwasser betroffen als die Emscher. Bilder etwa aus Dorsten zeigen, wie der Fluss zum Teil bedrohlich knapp unter der Oberkante der Deiche steht. „Wir haben gerade eine extrem dicke Lippe“, beschreibt es Abawi mit einem Wortspiel – „aber noch kein blaues Auge.“

Doch auch wenn es aktuell glimpflich auszugehen scheint in Gelsenkirchen: Ein Grund zur allgemeinen Entwarnung ist das sicherlich nicht, denn der Klimawandel zeigt längst seine Auswirkungen. So gab erst kürzlich der Deutsche Wetterdienst bekannt, dass 2023 dem Land NRW in Sachen Regen einen neuen Rekord beschert habe. Nach Angaben der Meteorologen seien in diesem Jahr bis zum 21. Dezember im Flächenmittel in NRW 1138,6 Millimeter Niederschlag gefallen. Das sind bereits zehn Tage vor Jahresende 0,4 Millimeter mehr als im bisherigen Rekordjahr 1966. Seit Beginn der Wetteraufzeichnungen im Jahr 1881 gab es kein Jahr mit mehr Niederschlag. Die anderen Spitzenjahre waren 1965 mit 1133,0 Millimeter, 2007 (1128,2), 1998 (1126,4), 1981 (1111,4).