Gelsenkirchen-Schalke-Nord. Millionen-Investments und ein Hightech-Produkt sollten einen Gelsenkirchener Automobilzulieferer in die Zukunft führen. Jetzt droht das Aus.

Es kommt knüppeldick: Gelsenkirchen drohen eine weitere Werksschließung und der Verlust mehrer Hundert Arbeitsplätze. Es geht um das Unternehmen ZF Automotive. Dem Werk in der Emscherstadt bricht nach übereinstimmenden Angaben von Unternehmens- und Belegschaftsseite die Produktionsbasis weg, weil „bisher keine Kundenaufträge“ für „die geplante Ansiedlung“ einer neuen elektrischen Lkw-Lenkung gewonnen werden konnten. Man befinde sich daher „in Gesprächen mit der Arbeitnehmervertretung, wie wir mit dieser Situation umgehen“, so ein ZF-Sprecher.

ZF Gelsenkirchen: 360 Mitarbeiter in der Produktion und Tech-Center verlören ihren Job

Damit hält ein Schreckensszenario wieder Einzug, von dem man glaubte, es vor fünf Jahren erfolgreich vertrieben zu haben: die Werksschließung. Betroffen sein könnten rund 210 Mitarbeiter in der Produktion. ZF beschäftigt in Gelsenkirchen insgesamt rund 360 Menschen, davon etwa 150 im Tech-Center. Im Werk an der Freiligrathstraße werden Lenkungen sowie Kabelbäume für die Automobilindustrie gefertigt, unter anderem im Mehrschichtbetrieb.

2018 geriet ZF, hier das Verwaltungsgebäude am Standort Gelsenkirchen, schon einmal in unruhiges Fahrwasser. Das Aus konnte aber noch erfolgreich abgewendet werden.
2018 geriet ZF, hier das Verwaltungsgebäude am Standort Gelsenkirchen, schon einmal in unruhiges Fahrwasser. Das Aus konnte aber noch erfolgreich abgewendet werden. © Funke Foto Services GmbH | Olaf Ziegler

2018 verloren etwa 240 Menschen ihren Arbeitsplatz bei ZF. Der personellen Schrumpfkur gegenüber stand eine Investition in Höhe von rund zehn Millionen Euro, um das Werk zukunftsfähig zu machen. Der Transformationsprozess sah den Bau eines Tech-Centers für Entwicklungsaufgaben und den Bau von Prototypen vor.

Ein neues Produkt, eine voll elektrische Lkw-Lenkung sollte den Gelsenkirchenern volle Auftragsbücher bescheren, den Zuschlag erhielten gut informierten Kreisen zufolge „aber andere Mitbewerber“. Aufträge europäischer Kunden blieben demnach aus. Erschwerend kommt für das Werk in Gelsenkirchen nach Unternehmensangaben hinzu, dass mehrere Produkte, deren Herstellung aufgrund der anhaltenden Auftragsflaute hierhin verlegt worden waren, „auslaufen“.

Am 8. Dezember wird über die Zukunft von ZF in Gelsenkirchen verhandelt

Blick in die Produktion von ZF in Gelsenkirchen: Das Foto von einem früheren Werksbesuch zeigt Elektrolenkgetriebe vor der Endprüfung.
Blick in die Produktion von ZF in Gelsenkirchen: Das Foto von einem früheren Werksbesuch zeigt Elektrolenkgetriebe vor der Endprüfung. © FUNKE Foto Services | Thomas Goedde

Für den 8. Dezember sind Gespräche über die Zukunft der Gelsenkirchener ZF-Fabrik anberaumt, ergebnisoffen, wie es heißt. Dabei wird auch die Frage im Raum stehen, welche andernorts hergestellte Produkte möglicherweise in der Emscherstadt gefertigt werden könnten, ohne andere Standorte zu gefährden. Die Hoffnungen der Mitarbeitenden ruhen auf „zwei zusätzlichen Kabelfertigungsanlagen für Sensoren“, eine befindet sich demnach schon am Standort, die Infrastruktur der zweiten sei bereits vorhanden. Offen ist aber, ob dies ausreicht, damit ZF in Gelsenkirchen eine wirtschaftliche Zukunft hat.

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ZF hat im ersten Halbjahr 2023 einen Umsatz von 23,3 Milliarden Euro erzielt. Das Verhältnis von Gewinn zu den Umsatzerlösen gibt der Konzern mit vier Prozent an. Den bereinigten Free Cashflow beziffert der Automobilzulieferer mit minus 525 Millionen Euro – das heißt, die Ausgaben überwogen die Einnahmen. Weltweit beschäftigt das Unternehmen rund 165.000 Mitarbeiter. Es ist an 168 Produktionsstandorten in 32 Ländern vertreten.